Stolpersteine in den Stadtteilen

Stolpersteine in Diedenbergen

Biografie - Familie Eduard Kahn

Casteller Straße 70

Eduard Adolf Kahn (geb. 2.9.1879) der jüngere Bruder von Josef und Louis Kahn führte mit seiner Ehefrau Emma, geb. Kahn (geb. 8.5.1880) aus Pfiffligheim in der Hauptstraße ein größeres Schuhgeschäft. Wie sein Bruder Josef wurde er im November 1933 anlässlich der „Erfassung der Juden und Freimaurer“ als SPD-Anhänger an das Landratsamt gemeldet. Zeitzeugen erinnerten sich außerdem, dass einige Kunden des Schuhgeschäfts die Gunst der Stunde nutzten und den Kaufpreis schuldig blieben in dem Wissen, dass Eduard Kahn nichts tun konnte, um sein Recht einzufordern. So entschloss sich das Ehepaar bereits am 12. Juli 1934 nach New York auszuwandern.

Biografie - Familie Gustav Kahn

Marxheimer Straße 9

Gustav Kahn (geb. 1.1.1868) betrieb in der Hauptstraße 9 ein bekanntes Viehhandelsgeschäft. Zeitzeugen erinnerten sich, dass sie als Kinder gern beim Verladen der Tiere zuschauten. Mit seiner Frau Klara, geb. Löw hatte Gustav Kahn vier Kinder: Johanna geboren am 29. Mai 1894, den ein Jahr jüngeren Karl, Franziska geb. am 2. Juni 1897 und Emma geboren am 10. Oktober 1901. Die drei ältesten Kinder verließen ihren Heimatort als sie heirateten. Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau Klara im Alter von 60 Jahren, lebte Gustav Kahn ab 1928 mit seiner jüngsten Tochter Emma, deren Ehemann Robert Forst und der 1931 geborenen Tochter im Familienanwesen. Er übergab das Unternehmen an den Schwiegersohn, der auch den geschäftlichen Erfolg fortsetzen konnte bis der durch die Nationalsozialisten ausgeübte Boykott den Verkauf immer mehr behinderte und schließlich zum Erliegen brachte. Als Ende 1936 Haus und Geschäft veräußert werden mussten und die junge Familie Forst nach Frankfurt umzog, musste auch Gustav Kahn seinen Geburtsort verlassen. Er meldete sich am 25. Mai 1937 nach Mainz ab. Vermutlich zog er zu einer seiner älteren Töchter, die in Mainz lebten. Nur wenig später, im selben Jahr, starb er in einem Mainzer Krankenhaus. So musste er das schreckliche Schicksal seiner Kinder nicht mehr miterleben.

Seine Tochter Johanna Friedberg, geb. Kahn wurde am 25. März 1942 von Mainz aus in das Ghetto Piaski deportiert. Dort verliert sich ihre Spur.

Ihre Schwester Franziska Hirschmann, geb. Kahn wurde von Darmstadt aus am 27. September 1942 nach Theresienstadt verschleppt. Sie starb am 6. Oktober 1944 in Auschwitz.

Emma Forst, geb. Kahn (geb. 10.10.1901) wurde als jüngstes von vier Kindern des Viehhändlers Gustav Kahn und seiner Ehefrau Klara, geb. Löw in Diedenbergen geboren. Sie besuchte 8 Jahre die Volksschule in ihrem Heimatort und erlernte anschließend als Haustochter die Führung eines Haushalts. 1928 starb plötzlich und unerwartet ihre Mutter Klara, vermutlich an einem Schlaganfall. Im Oktober desselben Jahres heiratete Emma Kahn den aus Kastellaun stammenden Robert Forst, der zu ihr und ihrem Vater in die Marxheimer Straße 9 zog. Am 10. Juli 1931 wurde dem jungen Paar die gemeinsame Tochter Helga Klara geboren. Robert Forst übernahm vom Schwiegervater den gut eingeführten Viehhandelsbetrieb und bestritt so den Lebensunterhalt für die ganze Familie, bis dies durch die nationalsozialistischen Boykottmaßnahmen unmöglich wurde. Im Dezember 1936 blieb der Familie nichts anderes mehr übrig als Betrieb und Familienanwesen zu verkaufen und nach Frankfurt überzusiedeln. Emma Forst zog mit Ehemann und Tochter in die Grünestraße 15. Mit Gelegenheitsarbeiten und mit Hilfe der jüdischen Wohlfahrtsstelle schlug sich die Familie durch, bis die Verhaftung und Misshandlung Robert Forsts im November 1938 die schnellstmögliche Auswanderung erzwang. Der einzig offen stehende Weg war die Ausreise in das von Japan besetzte Shanghai. Emma Forst und ihre Tochter mussten noch einen weiteren Monat darauf warten ihrem Mann zu folgen, der sich am 20. April 1939 hatte einschiffen können. In der Fremde wieder vereint stand die Familie nun vor den schwierigsten Lebensbedingungen. Sie handelten mit gebrauchter Kleidung um zumindest einen kärglichen Unterhalt zu bestreiten. Im Mai 1943 reagierte die japanische Besatzungsmacht auf den Druck des verbündeten nationalsozialistischen Deutschlands mit der Einrichtung eines Ghettos für alle nach 1937 nach Shanghai eingewanderten Juden. So musste auch die Familie Forst ihre Wohnung verlassen und fortan in einem kleinen Haus mit 15 weiteren Personen leben. Die hygienischen Bedingungen waren katastrophal. Es gab keine Toilette und reichlich Ungeziefer. Schon nach wenigen Wochen erkrankte Emma Forst an einer Geschwulst am Bein, die von den Ärzten im Ghetto nicht behandelt werden konnte. Als sie schließlich 1944 in ein Krankenhaus eingewiesen wurde, drohte bereits die Amputation. Das Bein konnte gerettet werden, aber die aggressive Behandlung, die auch wegen ihres extremen Untergewichts durchgeführt wurde, sollte Emma Forst für ihr Leben zeichnen. Vier Jahre nach Befreiung des Ghettos gelang es der Familie schließlich 1949 mit Hilfe einer Jüdischen Hilfsorganisation in die USA einzuwandern. Irgendwann in diesen Nachkriegsjahren erfuhr Emma Forst wohl vom Schicksal ihrer Schwestern Franziska und Johanna, die in den Vernichtungslagern ermordet wurden. Die Bilder der gequälten und getöteten Angehörigen und ihre eigenen leidvollen Erfahrungen würden sie nie mehr loslassen. Noch Jahrzehnte später litt sie an permanenten Kopfschmerzen, Angstzuständen und Schlaflosigkeit. Sie starb 1976 in New York.


Robert Forst (geb. 25.6.1901, gest. 15.2.1982) wurde in Kastellaun im Hunsrück geboren. Mit 21 Jahren heiratete er am 22. Oktober 1928 die wenige Monate jüngere Emma Kahn in Diedenbergen und übernahm das Viehhandelsgeschäft seines Schwiegervaters. 1931 kam die gemeinsame Tochter Helga zur Welt. Robert Forst leitete das Familienunternehmen und engagierte sich ehrenamtlich als Kassierer im Sportverein Diedenbergen und als Kreisjugendpfleger für den Süddeutschen Sportverband. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 verlor er diese Ämter und auch das Unternehmen wurde bereits vom reichsweiten Boykott gegen jüdische Geschäfte vom 1. April 1933 stark in Mitleidenschaft gezogen. Im Januar des darauf folgenden Jahres geriet Robert Forst mit einem Blockleiter der NSDAP in Streit, als er seine Tochter Helga gegen dessen Drangsalierungen verteidigen wollte. Bei der am Ende handgreiflichen Auseinandersetzung ging der Blockleiter zu Boden, woraufhin Robert Forst vom zuständigen Landjäger in so genannte „Schutzhaft“ genommen wurde. Am folgenden Tag vor dem Amtsgericht konnte der Ablauf des Geschehens nicht eindeutig geklärt werden, aber der Richter erteilte Robert Forst die Auflage sich für eine Woche von Diedenbergen fernzuhalten. Zwar kehrte er nach der auferlegten Frist nach Hause zurück, aber möglicherweise hatte der Vorfall weitreichendere Folgen, denn wie Robert Forst nach dem Krieg berichtete wurde ihm bereits im September 1934 die Gewerbeerlaubnis entzogen. Das Viehhandelsgeschäft des Schwiegervaters kam schließlich zum Erliegen und im Dezember 1936 waren auch die Ersparnisse soweit aufgebraucht, dass ein Verkauf allen Besitzes in Diedenbergen unumgänglich war. In Frankfurt in der Grünestraße 15 lebte Robert Forst ab 1937 mit seiner Frau und Tochter und versuchte die Familie mit Gelegenheitsarbeiten als kaufmännischer Angestellter über Wasser zu halten. Die schrecklichen Ereignisse der Pogromnacht am 10. November 1938 erlebten die Forst ebenfalls in Frankfurt. Bei der von der Gestapo anlässlich des Pogroms organisierten Verhaftungswelle gegen jüdische Männer geriet auch Robert Forst in die Fänge des Verfolgungsapparates. Wenige Tage nach dem Brand der Synagogen wurde er in seiner Wohnung verhaftet und bereits auf dem Polizeirevier so schwer misshandelt, dass er blutüberströmt und bewusstlos zusammenbrach. Als er wieder zu sich kam, brachte man ihn zusammen mit Hunderten anderer Verhafteter in die Frankfurter Festhalle wo Transporte in die Konzentrationslager Buchenwald und Dachau zusammengestellt wurden. Da es auch in der Festhalle immer wieder zu schweren Misshandlungen kam, musste Robert Forst Schlimmes erwarten als ein SS-Offizier auf ihn zusprang und ihn anbrüllte. Zu seiner Überraschung war dies aber offensichtlich nur ein Tarnmanöver dafür, dass der SS-Offizier ihm unauffällig zur Entlassung verhelfen wollte. Über die Gründe des Mannes konnte er nur spekulieren. Er vermutete später sie seien durch das ehrenamtliche Engagement in der Sportbewegung bekannt gewesen. Vermutlich aufgrund des Eingreifens dieses SS-Offiziers wurde Robert Forst aus dem Keller der Festhalle herausgeführt und in einem Taxi nach Hause geschickt. Wenig später zeigte sich, dass die brutalen, auf dem Polizeirevier erlittenen Schläge auf den Kopf, einen Schädelbruch verursacht hatten. Er lag drei Wochen mit hohem Fieber und zeitweiser Bewusstlosigkeit zu Bett. Da die Gestapo Frankfurt ihm – wie allen Entlassenen der Verhaftungsaktion – eine letzte Frist zur Auswanderung gesetzt hatte, musste er trotz seines Gesundheitszustandes eine schnelle Ausreisemöglichkeit finden. Durch die Vermittlung des jüdischen Hilfsvereins gelang es ihm für sich, seine Ehefrau und Tochter eine Schiffspassage nach Shanghai zu bekommen. Am 20. April schiffte er sich zunächst allein in Genua ein. Die 23 Tage dauernde Überfahrt war begleitet von ständigen heftigen Kopfschmerzen. Als Folge der Selbstmedikation gegen die traumatischen Erfahrungen wurde auf dieser Reise aus dem ehemaligen Sportler ein regelmäßiger Raucher. In Shanghai überlebte er zunächst mit Hilfe von Geld, dass ihm seine in die USA ausgewanderten Geschwister schickten. Nachdem seine Ehefrau und Tochter ebenfalls im Zufluchtsort eingetroffen waren, gründeten sie mit einem anderen Emigranten ein kleines Etagengeschäft für gebrauchte Kleidung, mit dem sie verdienten was sie zum bescheidensten Leben brauchten. Da Robert Forsts Gesundheit immer noch stark angegriffen war, musste ihm sein Geschäftspartner alle körperlich schweren Arbeiten abnehmen. Mit der zwangsweisen Umsiedlung in das Ghetto von Shanghai 1943 verschlechterten sich die Lebensbedingungen der Familie noch einmal dramatisch. Zu seinen gesundheitlichen Problemen kamen die katastrophalen Wohnverhältnisse, die schlechte Versorgung und die daraus resultierende Krankheit seiner Frau. Erst 1949 konnte die Familie mit Hilfe des Joint Distribution Committee nach New York auswandern, wo auch Robert Forsts Geschwister lebten. Nach einigen Monaten der Arbeitslosigkeit fand er eine Anstellung als ‚Boner’ in einer Fleischfirma. Diese körperlich anstrengende Arbeit, das Entbeinen von Rindervierteln an langen Werktischen, konnte er nur unter größter Kraftanstrengung, allen Kopfschmerzen und Schwindelanfällen zum Trotz ausführen. Doch sie erlaubte ihm für seine Familie eine neue Existenz aufzubauen. Robert Forst verstarb mit 81 Jahren in New York.

Biografie - Familie Josef Kahn

Hintergasse 22

Josef Kahn (geb. 2.10.1872, gest. 9.6.1948) wurde als Sohn von Elieser Kahn und Bettchen, geb. Guttmann in Diedenbergen geboren und gehörte damit zu einer der ältesten jüdischen Familien des Ortes. Da sich sein älterer Bruder Louis in Marxheim selbständig machte, übernahm Josef Kahn den ererbten Familiensitz und die darin befindliche Metzgerei von seinem Vater. Zeitzeugen erinnerten sich, dass er „der Metzger“ des Ortes war, zu dem besonders die Kinder gern zum Einkaufen geschickt wurden, weil sie immer ein großes Stück Fleischwurst geschenkt bekamen. Mit seiner aus Pfiffligheim bei Worms stammenden Frau

Rosa Kahn, geb. Kahn (geb. 12.12.1874, gest. 24.8.1953) hatte er eine Tochter. Amalie Kahn, genannt Milli, kam am 9. April 1900 in Diedenbergen zur Welt. Sie heiratete später Max Kahn (geb. 3.9.1898) aus Frankfurt, der in ihr Elternhaus einzog. Die Familie nahm außerdem auch mehrfach Pflegekinder in ihrem Hause auf. Josef Kahn war Mitglied der SPD – so meldete es zumindest der Bürgermeister von Diedenbergen im November 1933 weisungsgemäß an den Landrat – und so mag auch seine politische Einstellung dazu beigetragen haben, dass sich das Ehepaar zur Auswanderung entschloss. Angesichts der nationalsozialistischen Boykottmaßnahmen war es kaum möglich mit der Metzgerei den Lebensunterhalt zu bestreiten. Im Januar 1936 verkauften sie schweren Herzens den angestammten Familienbesitz, der nach dem Willen der Vorfahren für immer in der Familie hätte bleiben sollen. Ein knappes Jahr später am 20. Januar 1937 meldeten sie sich aus Diedenbergen nach New York ab. Ihre Tochter Amalie war mit ihrem Ehemann bereits am 16. September 1935 nach New York ausgewandert.

Ludwig Kantor (geb. 7.6.1901 oder 3.8.1901) wurde in Wilna (Vilnius) im damaligen zaristischen Russland geboren. Kurz nach seiner Geburt wanderten seine Eltern wie viele ihrer Glaubensgenossen angesichts der drückenden Lebensumstände für Juden im Zarenreich nach Deutschland aus. Doch sie verstarben bald darauf und ließen ihren Sohn als Vollwaise zurück. Er wurde zunächst in einem Waisenhaus in Frankfurt untergebracht, bis er mit 11 Jahren als Pflegekind zu Josef Kahn nach Diedenbergen kam. Er besuchte dort die Volksschule und absolvierte dann eine Metzgerlehre. Im Februar 1936, kurz nachdem seine Pflegeeltern Haus und Betrieb verkauft hatten, zog er nach Okriftel und verdiente seinen Lebensunterhalt mit einer Autovermietung während er seine Auswanderung vorantrieb. Im Dezember desselben Jahres reiste er mit einem Besuchervisum in die USA. Als das Visum ablief, war er gezwungen erneut auszureisen und wich nach Cuba aus. Über ein halbes Jahr später am 28. August 1937 konnte er schließlich endgültig in die Vereinigten Staaten einwandern. Dort traf er Selma David (geb. 21.1.1914) wieder, die bis Oktober 1936 in Okriftel in der Metzgerei ihrer Tante gearbeitet hatte. 1938 wurden die beiden von einem Rabbiner getraut. Sie bekamen zwei Kinder. Ludwig Kantor wurde 86 Jahre alt.

Biografie - Familie Simon

Wildsachsener Straße 1

Berta Simon, geb. Kahn (geb. 15.5.1871) wurde in eine der ältesten jüdischen Familien in Diedenbergen hineingeboren. Ihr Ehemann Siegmund Simon verstarb früh und so musste sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder als Obsthändlerin allein erwirtschaften. Ihre Tochter Rosa Simon wurde am 22. Februar 1902 geboren und zweieinhalb Jahre später die Zwillingssöhne Rudolf Raphael und Adolf (geb. 18.12.1904). Die Tochter verließ ihren Geburtsort vermutlich anlässlich ihrer Heirat mit Siegfried Levy aus Undenheim. Adolf, der Sohn, zog laut Erinnerungen von Zeitzeugen ebenfalls schon vor 1933 aus Diedenbergen fort. Als im November 1933 die jüdischen Einwohner listenmäßig erfasst wurden, waren nur noch Berta und ihr Sohn Rudolf im ihrem Heimatort gemeldet. Wie für alle jüdischen Händler muss auch das Obstgeschäft unter den Boykotten und Schikanen praktisch zum Erliegen gekommen sein. So sah sich Berta Simon im Alter von 65 Jahren im Januar 1937 gezwungen ihr Haus zu verkaufen. Zur Vertragsunterzeichnung wurde sie von ihrer Tochter Rosa und Schwiegersohn Siegfried begleitet. Die Abwicklung ging nun sehr schnell. Das Haus war sofort zu räumen, eine erste Anzahlung des Kaufpreises wurde in bar ausgehändigt und Sohn Rudolf meldete sich noch am selben Tag aus Diedenbergen ab. Gemeinsam wanderten Mutter und Sohn in die USA aus.

Rudolf Raphael Simon (geb. 18.12.1904 (1.) ) wurde wie seine Mutter und viele Generationen vor ihr in Diedenbergen geboren. Sein Zwillingsbruder Adolf soll ihm nach Erinnerungen von Zeitzeugen zum verwechseln ähnlich gesehen haben. Nach dem frühen Tod des Vaters wuchsen sie gemeinsam mit der zwei Jahre älteren Schwester Rosa in Diedenbergen auf. Rudolf erlernte das Schlosserhandwerk. 1932 verlor er seine Arbeitsstelle. Ob dies eine Folge der Wirtschaftskrise war oder bereits Ausdruck antisemitischer Diskriminierung, wie er selbst später vermutete, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Möglicherweise wandte er sich in dieser Zeit auch der KPD zu. Im Februar 1933 meldete der zuständige Landjägereiposten weisungsgemäß eine Durchsuchung bei dem „Vorsitzenden der KPD in Diedenbergen, Schlosser Rudolf Simon“ durchgeführt zu haben. Die Durchsuchung blieb allerdings ohne Erfolg. Doch auch bei der ersten Erfassung der jüdischen Einwohner unter der nationalsozialistischen Regierung im November 1933 notierte der Bürgermeister in der Spalte „politische Einstellung“ immer noch „Ortsgruppenleiter der KPD“. Rudolf Simon gehörte also in zweierlei Hinsicht zu den vom NS-Staat Verfolgten. Unter diesen Umständen konnte er schwerlich wieder Arbeit finden. Zeitzeugen berichteten, dass er zeitweilig in Frankfurt in einer Umschul-Werkstatt beschäftigt gewesen sei. Möglicherweise war er einer der Ausbilder in dem im April 1936 in Frankfurt gegründeten Ausbildungs- und Umschulungszentrum für jüdische Jugendliche und junge Erwachsene. Zu Beginn des Jahres 1937 gelang ihm schließlich die Auswanderung in die USA. Noch am Tag der Unterzeichung des Kaufvertrages für sein Elternhaus in Diedenbergen meldete er sich von dort in Richtung Amerika ab.

1. Das in Aufzeichnungen von Heimatforschern angegebene Geburtsdatum 17.12.1905 konnte nicht verifiziert werden. Sowohl in der Meldeliste des Bürgermeisters von 1933 als auch in der Entschädigungsakte ist der 18.12.1904 angegeben.

Biografie - Familie Cohn

Wildsachsener Straße 2

Theodor Friedrich Cohn (geb. 12.12.1888) wurde als Sohn von Philipp Cohn und Frieda, geb. Wulff in Laboe im heutigen Schleswig-Holstein geboren. Er kam nach Diedenbergen als er durch die Hochzeit mit Karolina Kahn in eine der ältesten jüdischen Familien des Ortes einheiratete. 1911 fand er als gelernter Schlosser eine gute Stellung bei den Farbwerken in Höchst und ein Jahr später kam die gemeinsame Tochter Silli Setta in Diedenbergen zur Welt. Im Ersten Weltkrieg leistete Theodor Cohn Kriegsdienst an der Front. Er überlebte und kehrte mit Kriegsauszeichnung zu seiner Familie zurück. Am 2. Mai 1929 verstarb seine Frau Karolina und ließ ihn mit der 17-jährigen Tochter zurück. Ein Jahr später heiratete er erneut, die aus Hofgeismar stammende Berta Wallach. Als drei Jahre später mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten auch in Diedenbergen die Diskriminierungen begannen, fühlte sich die Familie Cohn zunächst noch wenig bedroht. Durch die Festanstellung bei den IG-Farben hatten sie, anders als viele Selbstständige, auch weiterhin ein festes Einkommen. Auf dem Weg von seiner Arbeitsstätte in Höchst, den er öfter mit Diedenbergener Schülern des dortigen Gymnasiums gemeinsam zurücklegte, erzählte Theodor Cohn oft, dass er sich nicht fürchte, da ihm als Weltkriegsteilnehmer niemand etwas antun würde. Wie trügerisch diese vermeintliche Sicherheit war zeichnete sich schon ab, als die betreffenden Schüler vor den NSDAP-Ortsgruppenleiter zitiert wurden. Er ermahnte sie, den Weg mit dem Fahrrad vom Bahnhof in Hofheim nicht mehr mit Theodor Cohn gemeinsam zu fahren. Die Jungen ignorierten das Verbot, vor allem weil ihre Eltern sie darin unterstützten. Doch die fortschreitende Ausgrenzung verhinderten diese kleinen menschlichen Gesten nicht. Am 23. August 1938 wurde Theodor Cohn nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit von den Farbwerken entlassen. In seinem Arbeitszeugnis hieß es „Herr Cohn war zuverlässig und sehr fleißig; er verrichtete jede Arbeit mit Eifer und Verständnis. Seine Führung war einwandfrei.“ Eine neue Anstellung konnte er trotz dieser Einschätzung nicht mehr finden. Zeitweilig erteilte er beim jüdischen Hilfsverein in Frankfurt Unterricht im Schlosserhandwerk. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs und dem Ende der Möglichkeit auszuwandern waren Theodor und Berta Cohn die letzten in Diedenbergen verbliebenen Juden. Isolation und Demütigung wurde immer schlimmer. Zeitzeugen erinnerten sich wie Theodor Cohn versuchte den im September 1941 eingeführten stigmatisierenden „Judenstern“ unauffällig mit der Hand zu verdecken. Während des Krieges wurde er zum „Arbeitseinsatz“ bei einer Firma für Schlosser-Anschlagarbeiten in Vockenhausen verpflichtet. Für seinen Arbeitsweg war er gezwungen eine Ausnahmegenehmigung zur Benutzung seines Fahrrades zu beantragen, denn Juden war inzwischen auch der Besitz eines Fahrrades verboten. Ende Mai 1942 wurde diese Genehmigung nicht mehr verlängert, denn das Ehepaar war bereits für die am 10. Juni bevorstehende Deportation vorgesehen. In der Nacht verabschiedeten sie sich von der Familie des Pfarrers in dem Wissen, dass sie in den Tod fahren würden. Am 8. Juni wurden sie mit 30 weiteren Menschen aus dem Main-Taunus-Kreis zunächst nach Frankfurt gebracht und von dort am 11. Juni 1942 deportiert. Nach Erinnerungen von Zeitzeugen traf bereits 14 Tage später beim Diedenbergener Postagenten die Nachricht ein, dass Theodor Cohn verstorben war. 

Berta Cohn, geb. Wallach (geb. 21.11.1890) verließ ihren Geburtsort Hofgeismar mit 40 Jahren, um Theodor Cohn in Diedenbergen zu heiraten. Sie war das dritte von acht Kindern des Schächters und Synagogendieners Markus Wallach der bereits 1907 im Alter von 51 Jahren verstorben war. Auch zwei ihrer Geschwister hatte Berta Cohn bereits früh verloren. Ihr jüngerer Bruder Siegfried war im Ersten Weltkrieg gefallen und ihre Schwester Paula nur drei Jahre später im Alter von 20 Jahren verstorben. Durch den frühen Tod des Vaters lebte die Familie in bitterer Armut und war auf Unterstützung durch die Jüdische Gemeinde in Hofgeismar angewiesen. Vier der jüngeren Geschwister waren sogar zeitweilig im Waisenhaus untergebracht. Bertas ein Jahr jüngerer Bruder Leopold wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen und verstarb ebenfalls in jungen Jahren. Berta Cohn hatte also schon viel Leid erlebt als sie durch ihre Heirat in Diedenbergen ein neues zu Hause und eine scheinbar gesicherte Zukunft fand. Auch angesichts der einsetzenden nationalsozialistischen Verfolgung glaubte sie noch sicher genug zu sein, um ihre durch die Emigration ihrer Geschwister vereinsamte Mutter im September 1937 zu sich zu holen und beschützen zu können. Doch als ihr Ehemann Theodor Cohn im darauffolgenden Jahr seine scheinbar unkündbare Stellung verlor, schien zumindest für die Mutter die Auswanderung zur in Holland lebenden Tochter geboten. Berta Cohn und ihr Mann ertrugen die von Tag zu Tag schlimmer werdenden Einschränkungen ihres Lebens und die tägliche Diskriminierung bis sie schließlich am 8. Juni 1942 abgeholt und in den Tod geschickt wurden. 

Silli Setta Fuld, geb. Cohn (geb. 12.12.1912) wuchs in ihrem Geburtsort Diedenbergen auf und lebte dort nach dem frühen Tod ihrer Mutter Karolina mit ihrem Vater Theodor Cohn und dessen zweiter Ehefrau Berta weiterhin in ihrem Elternhaus. Irgendwann zwischen 1933 und 1938 heiratete sie den kaufmännischen Angestellten Elieser Curt Fuld aus Bad Homburg. Er verlor seine Anstellung 1936 als die Firma seiner Arbeitgeber „arisiert“ wurde und zog aus seinem Elternhaus in Bad Homburg nach Frankfurt. Zuletzt lebte das Ehepaar dort in der Rotteckstraße 7. Elieser Fuld fand erneut Anstellung bei Firmen mit jüdischen Besitzern und wurde wiederholt arbeitslos, wenn diese ihre Unternehmen zwangsweise veräußern mussten. In der immer schlimmer werdenden Situation gelang es dem Ehepaar am 21. Dezember 1938, wenige Wochen nach dem Novemberpogrom über Bremerhafen in die USA auszuwandern. Ihr Hab und Gut, das im folgenden Sommer über Holland versandt werden sollte, wurde nicht mehr verschifft und später beschlagnahmt. So mussten sie ohne Besitz und ohne Sprachkenntnisse eine neue Existenzgrundlage finden. Sie arbeiteten gemeinsam als Hausangestellte gegen ein Taschengeld, Kost und Logis bis Elieser Fuld schließlich 1941 wieder eine seiner kaufmännischen Ausbildung entsprechende Büroanstellung fand. Sie gründeten eine Familie und bekamen drei Kinder. Silli Fuld änderte ihren Namen in Celia. Sie verstarb im Oktober 1983 in New York. 

Adelheid Wallach, geb. Abt (geb. 23.8.1857) hatte schon ein schweres Leben hinter sich als sie im Alter von 80 Jahren zu ihrer Tochter Berta Cohn nach Diedenbergen übersiedelte. In Melsungen geboren zog sie nach Hofgeismar bei Kassel um den Synagogendiener und Buchbinder Markus Wallach zu heiraten. Das Ehepaar bekam acht Kinder, die sie nur mühsam ernähren konnten. 1907 starb Adelheid Wallachs Ehemann im Alter von nur 51 Jahren. Im selben Jahr verlor sie auch ihren ältesten Sohn Julius im Alter von 19 Jahren. Ihr zweitältester Sohn Leopold musste in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden und der Tod des Ernährers der Familie stürzte sie in bittere Armut. Sie war auf Zuwendungen der Jüdischen Gemeinde angewiesen und musste sogar vier ihrer Kinder in einem Waisenhaus in Kassel unterbringen. Im Ersten Weltkrieg fiel ihr Sohn Siegfried bereits 1915 mit 22 Jahren. Die zweitjüngste Tochter Paula war ebenfalls erst 20 Jahre alt als sie 1918 starb. 
Angesichts der Bedrohung durch die nationalsozialistische Verfolgung bemühte sich die jüngste Tochter Flora (geb. 1901) schon 1935 um die Ausreise in die USA. Auch dem Sohn Hermann gelang die Flucht nach Amerika. Vermutlich um nicht ganz allein zurückzubleiben zog Adelheid Wallach im September 1937 zu ihrer Tochter Berta nach Diedenbergen. Doch ihr Schwiegersohn Theodor verlor schon im darauf folgenden Sommer seine sichere Anstellung und die Diskriminierungen nahmen immer weiter zu. So sah sie sich veranlasst trotz ihres hohen Alters die Auswanderung zu wagen. Am 20. Februar 1939 meldete sie sich nach Den Haag ab. Vermutlich zog sie zu ihrer Tochter Ida Cohen (geb. 31.1.1897), die in die Niederlande ausgewandert war. Beide wurden von der nationalsozialistischen Verfolgungsmaschinerie wieder eingeholt. Die letzte Spur Adelheid Wallachs ist ihr Name auf der Transportliste des Lagers Westerbork wonach sie am 11. Mai 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert wurde. Ihre Tochter Ida teilte dasselbe schreckliche Schicksal nur wenige Wochen später, am 6. Juli 1943. 

Stolpersteine in Marxheim

Biografien - Familie Kahn

Schulstraße 35

Louis Kahn (geb. 30.9.1863) wurde als Sohn von Elesar und Bettchen, geb. Gutmann in Diedenbergen geboren. Während sein neun Jahre jüngerer Bruder Josef in dem von den Vorfahren ererbten Haus in Diedenbergen eine Metzgerei betrieb, gründete Louis eine eigene Existenz als Viehhändler in Marxheim. Wann genau er seinen Geburtsort verließ ist nicht überliefert. Vermutlich war es anlässlich seiner Hochzeit mit Sophie, geb. Hess (geb. 5.6.1869 in Bürgel). Sophie Kahn war nachweislich seit 1892 in Marxheim gemeldet und die gemeinsame Tochter Caroline kam dort am 2. August 1893 zur Welt. Das Ehepaar baute sich eine solide wirtschaftliche Existenz auf und Louis Kahn engagierte sich auch in der jüdischen Kultusgemeinde Hofheim. Noch Ende 1935 als der Kultusvorsteher der Gemeinde, Isidor Rosenthal, sein Amt niederlegte und nach Frankfurt zog, übernahm Louis Kahn diese Aufgabe. Er wurde am 28. Januar 1936 vereidigt. Inzwischen war für ihn wie für alle jüdischen Viehhändler das Geschäft durch die Boykotte und ständigen Drangsalierungen zum Erliegen gekommen und bald musste auch das Ehepaar Kahn erkennen, dass ihnen nur die Flucht ins Ausland blieb. Nur kurz nach den schrecklichen Ereignissen der Pogromnacht verließen sie am 25. November 1938 Deutschland für immer und emigrierten in die USA. Ihrer inzwischen in Frankfurt-Höchst lebende Tochter Caroline, verh. Marx gelang ebenfalls die Flucht nach New York. Das Hab und Gut der Familie, in Überseecontainern, so genannten Lifts, verpackt wartete am Frankfurter Hauptbahnhof auf die Versendung. Doch selbst die bereits abgepressten Sonderabgaben und –steuern reichten der nationalsozialistischen Regierung nicht. Schließlich wurde das gesamte Umzugsgut beschlagnahmt und die Familie musste ihr neues Leben aus dem Nichts wieder aufbauen. Louis Kahn verstarb schon kurze Zeit später am 9. April 1940. Seine Ehefrau Sophie überlebte ihn um elf Jahre. Sie starb am 30. Oktober 1951 in den USA.

Stolpersteine in Wallau

Biografie - Familie Leopold

Langenhainer Straße 14

Mina Leopold, geb. Falk (geb. 10.8.1878 oder 10.8.1873 (2.)) entstammte der alten Wallauer Familie Falk und war selbst in Wallau geboren. Sie heiratete den Viehhändler Adolf Leopold aus Kettenbach und ihr gemeinsamer Sohn Siegmund kam 1906 dort zur Welt. Weitere Angaben zu Mina Leopolds Leben sind spärlich. Sicher ist, dass die ganze Familie spätestens ab November 1941 zwangsweise in der Wiesbadener Straße 8 wohnen musste. Nachdem ihr Ehemann dort unter nicht mehr zu klärenden Umständen gestorben und ihr Sohn am 19. März 1942 zur Gestapo nach Darmstadt verbracht worden war, wurde Mina Leopold mit sechs weiteren Bewohnern des Hauses am 8.6.1942 nach Frankfurt gebracht und von dort Richtung Izbica deportiert. In welchem Arbeits- oder Vernichtungslager ihr Leben endete ist nicht mehr festzustellen. Da kein Familienmitglied die nationalsozialistische Verfolgung überlebte, gab es niemanden, der ein Entschädigungsverfahren hätte anstrengen können, aus dem heute näheres über Mina Leopolds Leben und Schicksal zu entnehmen wäre.

Adolf Leopold (geb. 3.4.1873 oder 24.4.1878 (3.)) lebte mit seiner Ehefrau Mina und Sohn Leopold in Wallau und verdiente den Lebensunterhalt als Viehhändler. Spätestens seit November 1941 wohnte die Familie im so genannten „Judenhaus“, Wiesbadener Straße 8. Aus einem Brief seines Sohnes an den Landrat des Main-Taunus-Kreises vom November 1941 geht hervor, dass Adolf Leopold erkrankte. In einem weiteren Brief vom 16.2.1942 berichtet der Sohn, dass sein Vater inzwischen verstorben war. Die Umstände seines Todes sind heute nicht mehr zu ermitteln, aber einige Zeitzeugen sind überzeugt, dass er sich selbst das Leben genommen hat, andere Gerüchte besagen, dass er aufgrund von Misshandlungen verstarb.

Siegmund Leopold (geb. 10.2.1906 oder 19.2.1906 (4.)) der einzige Sohn von Mina und Adolf Leopold lebte mit seinen Eltern im November 1941 in der Wiesbadener Str. 8. Am 17.11.1941 erbat er beim Landrat des Main-Taunus-Kreises die Zuzugsgenehmigung für seine künftige Ehefrau nach Wallau. Bürgermeister Fein, der den Zuzug verhindern wollte, erreichte zunächst in Übereinstimmung mit der Gestapo einen ablehnenden Bescheid des Landrats. Mitte Januar 1942 änderte die Gestapo ihre Anweisung dahingehend, dass Eheleute nach Möglichkeit am selben Ort wohnen sollten, um für die künftigen Deportationen besser erfasst werden zu können. Daraufhin erhielt Siegmund Leopold Ende Februar 1942 die Erlaubnis seine Ehefrau zu sich zu holen. Es ist jedoch fraglich, ob der Umzug noch zustande kam, denn am 19. März 1942 wurde Siegmund Leopold auf Anordnung der Staatspolizei Frankfurt festgenommen und zur Staatspolizei Darmstadt überführt. Weder der Grund für seine Verhaftung noch sein weiteres Schicksal sind den Akten zu entnehmen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass Siegmund Leopold in einem Konzentrations- oder Vernichtungslager den Tod fand.

2. Die erste Angabe ist einer unmittelbar nach Kriegsende zusammengestellten Liste entnommen, die zweite einer Liste der jüdischen Einwohner Wallaus von 1933. Da vermutlich beide Listen auf den Einwohnermeldeunterlagen beruhen, handelt es sich wahrscheinlich um einen Übertragungsfehler, der aufgrund fehlender anderer Quellen heute nicht mehr berichtigt werden kann.

3. Die erste Angabe ist einer unmittelbar nach Kriegsende zusammengestellten Liste entnommen, die zweite einer Liste der jüdischen Einwohner Wallaus von 1933. Da vermutlich beide Listen auf den Einwohnermeldeunterlagen beruhen, handelt es sich wahrscheinlich um einen Übertragungsfehler, der aufgrund fehlender anderer Quellen heute nicht mehr berichtigt werden kann.

4. Die erste Angabe ist einer unmittelbar nach Kriegsende zusammengestellten Liste entnommen, die zweite einer Liste der jüdischen Einwohner Wallaus von 1933. Da vermutlich beide Listen auf den Einwohnermeldeunterlagen beruhen, handelt es sich wahrscheinlich um einen Übertragungsfehler, der aufgrund fehlender anderer Quellen heute nicht mehr berichtigt werden kann.

Biografie - Familie Levi

Bleichstraße 14

Selma Levi, geb. Falk (geb. 3.8.1886) entstammte ebenfalls der alteingesessenen Familie Falk. Sie heiratete den Viehhändler Leopold Levi, der im September 1918 an den Folgen einer im Ersten Weltkrieg zugezogenen Kriegsverletzung verstarb. 1916 war ihr gemeinsamer Sohn Norbert geboren worden und im Juni 1918 nur wenige Monate vor dem Tod des Vaters der zweite Sohn Felix. Um ihre beiden kleinen Kinder und sich selbst zu ernähren, betrieb sie in Wallau ein Lebensmittelgeschäft. 
Wie alle jüdischen Händler und Kaufleute auf dem Land geriet auch Selma Levi bald nach 1933 aufgrund der Boykotte in wirtschaftliche Not. Vermutlich 1935 musste sie ihr Geschäft ganz aufgeben. Im November 1938 wurden im Zuge der gezielten Verhaftungen jüdischer Männer nach der Pogromnacht ihre beiden Söhne in Dachau und Buchenwald inhaftiert. Als ihr Sohn Felix nach einmonatiger Haft zu ihr zurückkehrte musste sie sich ebenso wie er zweimal wöchentlich bei der Bürgermeisterei melden. Nachdem Felix Levi im April 1939 die Ausreise nach Dänemark gelungen war, musste Selma Levi im Juni ihr Haus und Grundstück in Wallau verkaufen. Seit Oktober desselben Jahres musste ihr inzwischen ebenfalls aus der Haft entlassener älterer Sohn in Pilgrim bei Brandenburg Zwangsarbeit leisten. Da er aufgrund einer schweren Erkrankung arbeitsunfähig wurde, kehrte er im Frühjahr 1941 zu ihr zurück. Spätestens ab November 1941 lebten die beiden zwangsweise in der Wiesbadener Straße 8. Bei der ersten Deportation aus Wallau am 8.6.1942 wurden auch Selma Levi und ihr Sohn Norbert wie Herbert Falk und vier weitere Bewohner des Hauses über Frankfurt Richtung Majdanek verschleppt. Von Selma Levi ist nicht bekannt wo und wie sie verstarb. 

Norbert Levi (geb. 3.12.1916, gest. 22.7.1942) wurde als ältester Sohn von Selma und Leopold Levi in Wiesbaden geboren. Im Herbst 1932 begann er eine kaufmännische Lehre, die er aber vermutlich nicht mehr mit einer Prüfung abschließen konnte. Ab Oktober 1935 musste er wahrscheinlich als einfacher Arbeiter seinen Lebensunterhalt verdienen. Nach der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 wurde er verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht. Nach seiner Haftentlassung verpflichtete man ihn zur Arbeit beim Straßenbau in Flörsheim. Im Oktober 1939 wurde er im Zuge des „Arbeitseinsatzes von Juden zum Forsteinsatz“ nach Pilgram/Mark gemeldet. Ein Jahr später erkrankte er so schwer, dass er trotz einer längeren Behandlung im Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Berlin nicht wieder arbeitsfähig wurde. Seiner Entlassung nach Wallau aber stand der Unwillen des Wallauer Bürgermeisters entgegen, der die polizeiliche Anmeldung zu verhindern suchte und erst auf Anordnung des Landrats Norbert Levi die Rückkehr in seinen Heimatort gestattete. Seit dem Frühjahr 1941 lebte Norbert Levi schließlich wieder bei seiner Mutter. Spätestens seit November 1941 wohnten beide zwangsweise im Haus Wiesbadener Straße 8. Ebenso wie seine Mutter wurde Norbert Levi am 8.6.1942 verhaftet und am 11.6.1942 von Frankfurt aus „gen Osten“ deportiert. Sein Weg endete im Konzentrationslager Majdanek, mit der Häftlingsnummer 11321. Er starb dort nur sechs Wochen nach seiner Ankunft am 22. Juli 1942. 

Felix Levi (geb. 18.6.1918), der jüngere Bruder Norbert Levis, wurde in Wallau geboren. Er besuchte in seinem Geburtsort die Volksschule und absolvierte von 1932 bis zum Frühjahr 1933 einen Ausbildungskursus in der Kaufmännischen Privatschule Emil Strauss in Wiesbaden. Seine weitere Berufsausbildung wurde durch den Nationalsozialismus unmöglich. Zwar erhielt er eine Stellung in der Weingroßhandlung Walter Löwenstein in Wiesbaden, doch war diese nur kurze Zeit später gezwungen zu schließen. Nach verschiedenen vergeblichen Versuchen eine Lehrstelle zu finden beschloss Felix Levi 1937 nach Palästina auszuwandern. Um sich auf das dortige Leben vorzubereiten, wollte er sich nun Kenntnisse in der Landwirtschaft erwerben. Er fand eine entsprechende Beschäftigung in Fischbach bei Augsburg. Dort wurde er im November 1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau verbracht. Nach einmonatiger Haft wurde er nach Wallau zu seiner Mutter entlassen, mit der Auflage sich zweimal wöchentlich bei der Bürgermeisterei zu melden. Im April 1939 erhielt er endlich die Genehmigung zur weiteren Ausbildung in der Landwirtschaft nach Dänemark auszuwandern. Doch die Besetzung Dänemarks durch die deutsche Wehrmacht zwang ihn bald erneut zur Flucht. Er floh nach Schweden, wo er zunächst in einem Flüchtlingslager in Hässleholm, später in Göteborg lebte. Erst im Jahre 1951 gelang es ihm in die USA auszuwandern.

Biografien - Familie Thalheimer

Wiesbadener Straße 8

Rosa Thalheimer, geb. Friedemann (geb. 2.8.1870 oder 3.8.1870, gest. 5.11.1942) war verheiratet mit Siegmund Thalheimer, der in der Jüdischen Gemeinde Wallau als Kantor tätig war. Er starb als Soldat im Ersten Weltkrieg in einem deutschen Lazarett. Von ihren Kindern Waldemar (14.8.1899), Martha(geb. 23.1.1904), Olga (geb. 30.4.1906) und Siegfried (geb. 10.2.1908) war im November 1933 Olga nicht mehr in Wallau gemeldet. Waldemar Thalheimer war allerdings als „zur Zeit in Lyon, Frankreich“ abgemeldet. Die Thalheimers wohnten im Haus Wiesbadener Straße 8, in dem spätestens ab November 1941, als Juden ihren Wohnsitz nicht mehr frei wählen durften, alle noch in Wallau verbliebenen Juden wohnen mussten. In diesen letzten schweren Jahren lebte Rosa Thalheimer mit ihrer Tochter Martha und deren kleiner Tochter Ruth von ihrer Kriegswitwenrente. Als am 8.6.1942 sieben Bewohner des Hauses Wiesbadener Straße 8 auf Lastwagen nach Frankfurt gebracht wurden, um von dort drei Tage später deportiert zu werden, waren auch Rosa Thalheimers Tochter und Enkelin unter den Verschleppten. Zeitzeugen erinnerten sich wie bitterlich sie weinte und wie sie später stundenlang am Fenster wartete, in der Hoffnung auf Post von ihren verschleppten Angehörigen. Sie hatte ein Herzleiden, konnte aber den Arzt in Wiesbaden nicht aufsuchen, weil die Nachbarn, die ein Auto besaßen, Angst hatten sie zu fahren. Sie fürchteten, dass ihr Auto demoliert werden könnte, wenn jemand den Judenstern an Rosa Thalheimers Brust sähe. 
Am 28.8.1942 wurden Rosa Thalheimer und Willi Falk als letzte Juden aus Wallau nach Theresienstadt deportiert. Sie verstarb dort bereits am 5.11.1942. 
Martha Thalheimer (geb. 23.1.1904) wurde als zweites Kind von Rosa und Siegmund Thalheimer in Wallau geboren. Über ihr Leben ist nur wenig überliefert. Sie lebte mit ihrer Tochter Ruth Thalheimer(geb. 4.4.1930 oder 30.4.1930) bei der Mutter in Wallau, Wiesbadener Straße 8. Am 8.6. wurde sie mit ihrer 12jährigen Tochter und fünf weiteren Bewohnern des Hauses über Frankfurt „gen Osten“ nach Izbica, Majdanek oder Sobibor deportiert. Ihre Todesdaten sind unbekannt. Siegfried Thalheimer gelang die Flucht in die USA.

Biografien - Familie Aron

Bachgasse 4

Manfred Aron (geb. 19.6.1892, gest. 8.3.1969) besuchte in seiner Heimatstadt Hamburg die Talmud-Thora-Oberrealschule, dann das Lehrerseminar in Oldenburg und Köln und legte schließlich die Abschlussprüfung zum staatlichen jüdischen Religionslehrer ab. 1920 heiratete er die vier Jahre jüngere Lilly Seligmann. Das Ehepaar hatte vier Töchter: Sara Sitta (geb. 3.6.1921), Henny Mirjam (geb. 6.11.1922), Lea Esther(geb. 11.3.1925) und Eva (geb. 4.5.1927 in Trier). Lilly Aron starb 1929 mit nicht einmal 33 Jahren. Im November desselben Jahres trat Manfred Aron bei der israelitischen Kultusgemeinde Wallau die Stelle als Kantor und Religionslehrer an. Im Jahr darauf heiratete er Fanny Regensburger (geb. 16.1.1899). Ihre gemeinsamen Kinder warenWolf (geb. 25.5.1931 in Frankfurt), Rahel Regina (geb. 12.9.1932),Sally SalomonElieser Josef (beide Geburtsdaten unbekannt),Nanny (geb. 5.6.1936), David (geb. 30.10.1937) und Josus (auch: Josia) Kalmann (geb. 14.7.1939). 
Nach 1933 hatten die Arons wie alle jüdischen Einwohner unter Anfeindungen und Diskriminierungen zu leiden. Noch vor der allgemeinen Zerstörung der Synagogen im November 1938 verlor Manfred Aron seine Anstellung. Im April 1938 wurde er - nach seiner Aussage auf Veranlassung des Regierungspräsidenten in Wiesbaden - von der Gemeinde Wallau entlassen. Im Oktober übersiedelte er mit seiner gesamten Familie nach Frankfurt, Ostendstraße 18, weil sie sich - wie er nach dem Krieg berichtete - in der größeren Stadt sicherer fühlten, als im kleinen Ort Wallau, wo sie jeder als Juden kannte. Noch im Herbst 1938 gelang es den Eltern drei ihrer Kinder nach Frankreich zu bringen. Ihre Namen gehen aus den Akten nicht hervor, aber es muss sich um Rahel, Sally und Elieser gehandelt haben. Am 3.2.1939 meldete sich Manfred Aron nach Bilthoven in Holland ab, wohin seine Mutter bereits 1933 von Hamburg aus emigriert war. Er hatte die Absicht seine Familie so schnell wie möglich nachzuholen. Dies sollte ihm jedoch nicht gelingen, obwohl er die notwendige Genehmigung der holländischen Regierung erwirken konnte, denn die deutschen Behörden verweigerten seiner Frau und seinen Kindern die Ausreise. 
Zu der Sorge um seine Angehörigen kam nach der Besetzung Hollands durch die deutsche Wehrmacht auch die immer größere Bedrohung seines eigenen Lebens. Nach dem Krieg beschrieb der seine Lebenssituation in diesen angsterfüllten Jahren: 
„[...] Im Februar 1942 sollte die Stadt de Bilt in Holland, wo ich mich aufhielt, judenrein gemacht werden. Um der Deportation zu entgehen, haben holländische Christen vielen Juden Unterschlupf gewährt, wobei die Pfarrer behilflich waren. Ich selbst wurde im Hause der Frau Meulmester in de Bilt, Overboschlau 50 (Bilthoven) versteckt gehalten und zwar in einer Mauernische von etwa 1 m Höhe und 80 cm Breite und ca. 50 cm Tiefe. Diese Nische war durch eine hohe Waschkommode verdeckt, die nach der Wand zu eine Klappe hatte, die aufzuheben und herunterzulassen war. In dieser Nische habe ich häufig tagelang (manchmal bis 3 Tage) mich ohne Essen und Trinken und ohne Möglichkeiten der Entleerung versteckt halten müssen. Ich saß die ganze Zeit über darin auf einem niedrigen Hocker, ohne mich drehen und wenden zu können. Dies Verstecken war zur Rettung meines Lebens erforderlich, weil häufig auch nachts Razzien in den Häusern stattfanden. Im Februar 1945 war es besonders schlimm, als das Haus der Frau Meulmester durch 12 mit Maschinengewehren bewaffneten SS-Leute in seinem Innern und seiner Umgebung durchsucht wurde. Mein Versteck blieb unentdeckt. Dieses menschenunwürdige Dasein endete erst Anfang Mai 1945 mit der Besetzung von Holland durch die alliierten Truppen. [...]“ 
In den 1950er Jahren war Manfred Aron für die Jüdische Gemeinde Frankfurt tätig, ging später aber wieder nach Holland zurück. 
Fanny Aron, geb. Regensburger (geb. 16.1.1899 in Sulzbürg) lebte mit ihrem Ehemann Manfred Aron, ihren Kindern und Stieftöchtern in Wallau im Gebäude der Synagoge bis der Verfolgungsdruck die Familie zwang nach Frankfurt umzuziehen. Nachdem Manfred Aron ins holländische Exil vorausgegangen war, um die Ausreise der ganzen Familie vorzubereiten, war Fanny Aron in Frankfurt auf sich gestellt. Allein brachte sie im Juli 1939 auch ihr jüngstes Kind, Josus (Josia), auf die Welt. Sie verdiente einen Teil ihres Lebensunterhaltes durch Näharbeiten, denn sie war ausgebildete Schneiderin und hatte auch schon vor ihrer Heirat in ihrer Heimat Sulzbürg so ihren Unterhalt verdient. Vermutlich war die Familie aber auch auf die Unterstützung durch die jüdische Fürsorge angewiesen. Ihre letzte Frankfurter Adresse war Schwanenstraße 22. Am 19.5.1942 wurde sie zusammen mit ihren vier minderjährigen Kindern Wolf, Nanny, David und Josus mit dem Transport „L8“ von Frankfurt aus deportiert. Ihre Todesdaten sind nicht bekannt und wurden von den Behörden später auf den 31.5.1942 festgesetzt. 
Sara Sitta Aron (geb. 3.6.1921) siedelte mit acht Jahren zusammen mit ihren Schwestern und ihrer Stiefmutter Fanny nach Wallau um, als ihr Vater Manfred Aron dort die Stelle an der Synagoge übernahm. Sie besuchte die Volksschule in Wallau, wie später auch ihre kleineren Geschwister. Zum Zeitpunkt ihres Schulabschlusses 1935 war es jüdischen Schulabgängern bereits nicht mehr möglich eine allgemeine Lehre anzutreten. Sie hoffte daher auf die Möglichkeit in einem jüdischen Krankenhaus eine Ausbildung zur Krankenschwester machen zu können. Für den Beginn einer solchen Ausbildung war allerdings ein Mindestalter von 18 Jahren vorgeschrieben. Um die Wartezeit bis dahin zu überbrücken, half sie im Haushalt und bei der Erziehung der kleineren Geschwister, später war sie wohl auch zeitweilig in einem jüdischen Kindergarten tätig. Ob sie die Ausbildung 1939 noch beginnen konnte ist nicht belegt, jedoch hat sie sicher keinen Abschluss mehr erlangen können. 1940 bis 1941 war sie nachweislich als Hilfsarbeiterin beschäftigt. Ihre letzte bekannte Adresse ist wie die ihrer Stiefmutter und Geschwister Schwanenstraße 22 in Frankfurt. Zu ihrem weiteren Schicksal gibt es widersprüchliche Angaben. Sie wurde möglicherweise im Frühjahr 1942 „gen Osten“ deportiert oder erst am 1.9.1942 zusammen mit ihren Schwestern Lea und Eva nach Theresienstadt.(1.) Ihr Todesdatum ist nicht bekannt und wurde nachträglich auf den 31.12.1945 festgesetzt. 

(1.) Im Theresienstädter Gedenkbuch, das auf der Auswertung aller verfügbaren Theresienstadt betreffenden Quellen beruht, ist sie nicht aufgeführt. Da die Quellen aber zum Teil unvollständig oder fehlerhaft sind, ist damit nicht völlig ausgeschlossen, dass sie dort gewesen ist. 

Henny Mirjam Aron (geb. 6.11.1922, gest. 5.3.1943 in Sobibor) Sie besuchte vom 14.11.1929 bis zum 1.4.1937 die Volksschule in Wallau. Danach absolvierte sie in Hamburg eine Lehre als Verkäuferin in einem koscheren Lebensmittelgeschäft. Als der Inhaber 1938 sein Geschäft aufgeben musste und emigrierte, wollte sie Kindergärtnerin werden, aber auch diese Ausbildung war zu diesem Zeitpunkt bereits unmöglich. 1939 begleitete sie einen Kindertransport nach Holland und blieb dort in einem Waisenhaus in Utrecht. Am 11.2.1943 wurde sie in das Konzentrationslager Westerbork eingeliefert und am 2.3.1943 von dort ins Vernichtungslager Sobibor deportiert. Sie starb dort nur drei Tage nach ihrer Ankunft. Unmittelbar nach dem Krieg, als ihr Vater Manfred Aron Nachforschungen über seine Familie anstellte, waren die Angaben über ihr Schicksal widersprüchlich. Zunächst nahmen die Behörden daher an, sie sei zusammen mit ihren Geschwistern von Frankfurt aus deportiert worden und setzten ihr Todesdatum daher auf den 31.12.1945 fest. Später konnte aber ihr Schicksal in Sobibor eindeutig belegt werden. 
Lea Esther Aron (geb. 11.3.1925) besuchte vom 1931 bis zum 1938 die Volksschule in Wallau. Als die Familie dann nach Frankfurt übersiedelte begann sie eine Ausbildung als Krankenschwester an einem jüdischen Krankenhaus, konnte jedoch kein Examen mehr ablegen. Sie wurde zusammen mit ihren Schwestern Eva und Sitta am 1.9.1942 nach Theresienstadt deportiert. Ihr Todesdatum ist ebenfalls unbekannt und wurde auf den 31.12.1945 festgesetzt. 
Eva Aron (geb. 4.5.1927) besuchte vom 1933 bis zum 1938 die Volksschule in Wallau. Eine Mitschülerin aus dieser Zeit erinnert sich an Eva und ihre Schwestern und berichtete in einem Interview im Jahre 2003 darüber wie sich die Ausgrenzung auch auf dem Schulhof fortsetzte. Die Geschwister Aron standen in der Pause an der Schulmauer und durften nicht mitspielen. Wenn sie doch einmal jemand aus Mitleid dazu einlud, wurde bald vom Lehrer dagegen eingeschritten. 
Nach dem Umzug der Familie nach Frankfurt im Oktober 1938 besuchte Eva Aron dort noch die Volksschule. Über ihr weiteres Schicksal ist nur bekannt, dass sie am 1.9.1942 mit ihren Schwestern nach Theresienstadt verschleppt wurde. Ihr Todesdatum wurde auf den 31.12.1945 festgesetzt. 
Drei Kinder von Manfred und Fanny Aron, Rahel Regina (geb. 12.9.1932), Sally Salomon und Elieser Josef (beide Geburtsdaten unbekannt), überlebten die Verfolgung in der Emigration.

Biografien - Familie Falk

Taunusstraße 25

Willi Falk (geb. 18.1.1881, gest. 21.1.1943) entstammte einer der ältesten jüdischen Familien in Wallau. Der erste gebürtige Wallauer der Familie, David Falk, geboren 1814, versah wie schon sein Vater das Amt des Religionslehrers der jüdischen Gemeinde. Willi Falks Vater Leopold war von Beruf Metzger und seine Söhne folgten in seine Fußstapfen. 1906 gründeten Willi und sein Bruder Siegmund in ihrem Heimatort ein Viehhandelsgeschäft unter dem Namen „Gebrüder Falk“. Im ersten Weltkrieg wurden beide zum Kriegsdienst eingezogen. Nach ihrer Heimkehr gelang es ihnen, ihr Geschäft wieder aufzubauen und bald florierte der Handel wie zuvor. 1931 trat auch der älteste Sohn Willi Falks, Herbert, in das Familienunternehmen ein. Siegmund Falk war 1930 mit seiner Familie nach Wiesbaden und drei Jahre später nach Hochheim verzogen. Herbert übernahm zunehmend die Fahrten ins Umland und die Betreuung der Kundschaft in den umliegenden Orten, während sein Vater sich auf die Arbeit in Wallau konzentrierte. Die Falks waren in ihrem Heimatort verwurzelt, Mitglied und Förderer zahlreicher Vereine und angesehene Bürger. Willi Falk engagierte sich auch in der jüdischen Gemeinde - zeitweilig war er zweiter Vorsitzender im Vorstand. Mit dem Jahr 1933 änderte sich die Situation der Familie rasch. Durch Boykottaufrufe und den zunehmenden Druck auf die Bauern, nicht mehr bei jüdischen Händlern zu kaufen, ging das Geschäft schnell zurück und kam 1934/35 praktisch zum Erliegen. Schikanen waren an der Tagesordnung. Ende 1937 wurde Willi Falk noch - wie alle „nichtarischen“ Viehhändler - zur Buchkontrolle bei der Kreisbauernschaft vorgeladen, wo nur festgestellt werden konnte, dass er über alle erforderlichen Genehmigungen verfügte. 1938 mussten er und seine Frau Julie - ebenfalls wie alle „Nichtarier“ - eine Vermögensaufstellung abgeben. Zum 1.10.1938 wurden alle „nichtarischen“ Viehhändler - und so auch Willi Falk - aus den Gewerberegistern gestrichen und ihnen die Handelserlaubnis entzogen. Das Haus der Familie in der Breckenheimer Straße 1 musste verkauft werden. Nicht lange danach starb Willi Falks Ehefrau Julie am 23.7.1939 in Wiesbaden. Wo Willi Falk nach dem Zwangsverkauf seines Hauses und dem Tod seiner Frau wohnte, ist nicht mehr feststellbar. Sicher ist, dass er im November 1941 bereits zwangsweise zusammen mit allen anderen in Wallau verbliebenen Juden in der Wiesbadener Straße 8 lebte. Er musste mit ansehen wie im Juni 1942 sein Sohn Herbert und dessen Ehefrau zusammen mit fünf weiteren Bewohnern des Hauses auf Lastwagen abtransportiert wurden. Er und Rosa Thalheimer blieben als letzte Juden in Wallau zurück. Am 28.8.1942 wurden beide über Frankfurt nach Theresienstadt verschleppt, wo ihr Transport am 2.9.1942 eintraf. Willi Falk verstarb dort mit 62 Jahren am 21.1.1943. 
Julie Falk, geb. Sacki (geb. 27.12.1885, gest. 23.7.1939) wurde in Kleinsteinach in Bayern als Tochter von Isak Sacki und Lina Sacki, geb. Neuburger geboren. Nach ihrer Heirat mit Willi Falk betrieb sie im gemeinsamen Haus in der Breckenheimer Straße 1 ein gut gehendes Schuhgeschäft. Sie war im Ort sehr beliebt nicht zuletzt wegen ihrer Großzügigkeit, wie Zeitzeugen noch im Jahr 2004 berichteten. So stundete sie schon einmal den Kaufpreis für ein Paar Kinderschuhe oder half Nachbarn mit einem Geldbetrag aus, um eine Operation zu bezahlen. Vom 1.4.1933 an, dem Tag des organisierten Boykotts jüdischer Geschäfte, ging der Umsatz auch in Julie Falks Schuhgeschäft zurück. Nur zwei Jahre später war sie gezwungen, ihren restlichen Warenbestand zu verschleudern und das Geschäft zu schließen. Sie starb im Alter von nur 53 Jahren am 23.7.1939 in Wiesbaden. Die Umstände ihres Todes sind unbekannt. 
Herbert Falk (geb. 25.2.1912) war der älteste Sohn von Willi und Julie Falk. Er besuchte in Wallau bis 1926 die Volksschule und absolvierte anschließend in Groß-Gerau eine Metzgerlehre. In demselben Betrieb, bei Metzgermeister Schott, arbeitete er anschließend zwei Jahre als Geselle, um schließlich 1931 in das väterliche Viehhandelsgeschäft einzutreten. Nachdem das ursprünglich florierende Geschäft durch die nationalsozialistischen Boykottmaßnahmen zum Erliegen gekommen war, konnte Herbert Falk keine Beschäftigung mehr finden. Nach dem Zwangsverkauf des Elternhauses, dem Tod seiner Mutter und der Emigration seines jüngeren Bruders Martin lebte er mit dem Vater, spätestens ab November 1941 in der Wiesbadener Straße 8. In dieser Zeit war er nachweislich zum „Arbeitseinsatz“ verpflichtet. Im Dezember 1941 erbat er die Zuzugsgenehmigung für seine Ehefrau Erna, geb. Gabarsky, die er vermutlich erst kurz zuvor geheiratet hatte. Obwohl der Bürgermeister von Wallau einen Zuzug vehement ablehnte, wurde die Genehmigung erteilt. Die Deportationen aus dem Deutschen Reich hatten zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen und die Gestapo argumentierte gegenüber dem Bürgermeister, dass Eheleute gemeinsam „evakuiert“ werden müssten. Diese zynische Begründung für die Zuzugsgenehmigung konnte Herbert Falk nicht ahnen. Nur kurze Zeit nach dem Umzug seiner Frau nach Wallau wurden beide „zur Evakuierung vorgesehen“. Die Gestapo Frankfurt wies die Landräte des Regierungsbezirks Wiesbaden am 4.6.1942 an, nach vorgegebenen Deportationslisten Transporte zusammenzustellen und bis zum 10.6.1942, 19.00 Uhr zur Großmarkthalle Frankfurt zu überführen. Dies war eine von drei großen Deportationen aus Frankfurt im Frühjahr 1942. Der Transport sollte am 11.6.1942 das Gelände der Großmarkthalle verlassen, die Verhaftungen im Main-Taunus-Kreis erfolgten dementsprechend am 8.6.1942. Herbert Falk und seine Ehefrau wurden an diesem Tag zusammen mit fünf weiteren Bewohnern des Hauses Wiesbadener Straße 8 verschleppt. Der Transport vom 11. Juni war für das Durchgangslager Izbica bestimmt. In Lublin sonderte man Arbeitsfähige für das Konzentrationslager Majdanek aus. Frauen, Kinder und Gebrechliche wurden entweder nach Izbica und von dort in andere Arbeitslager verbracht oder direkt in das Vernichtungslager Sobibor. Von den Menschen, die an diesem Tag Frankfurt verließen sind keine Überlebenden bekannt. Die Spur von Herbert Falk verliert sich hier. Weder die Umstände seines Todes noch sein Todesdatum sind noch feststellbar. Sein Todesdatum wurde nachträglich auf den 8.5.1945 festgesetzt, liegt aber mit Sicherheit früher. 
Erna Falk, geb. Gabarsky (geb. 29.7.1921) war die Ehefrau von Herbert Falk. Sie zog erst Anfang 1942 nach Wallau und wurde von dort gemeinsam mit ihrem Ehemann am 8.6.1942 deportiert. Ihr Todesdatum ist wie das ihres Mannes unbekannt. 
Martin Falk (geb. 25.2.1915), der jüngere Bruder von Herbert Falk wurde wie dieser in Wallau geboren. Er war von Beruf Kaufmann und arbeitete vermutlich auch im Familienunternehmen mit. Ihm gelang die Flucht ins Exil und er lebte später in Israel. 
Wiesbaden. Die Umstände ihres Todes sind unbekannt.

Stolpersteine in Langenhain

Biografie - Frau Beer (geb. Rosenthal)

Am Jagdhaus 17

Lina Beer, geb. Rosenthal (geb. 12.11.1883) war wie alle Generationen ihrer Familie seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in Langenhain geboren. Lina Beers Vater Moses Rosenthal betrieb eine Metzgerei und ihre drei Brüder Gustav (geb. 1.2.1877), Siegmund (geb. 8.5.1879) und Moritz (geb. 7.12.1881) wurden vermutlich beim Vater ebenfalls im Metzgerhandwerk ausgebildet. 
Lina Beer erhielt dagegen keine Berufsausbildung, sondern half im Geschäft ihres Vaters, wie damals in kleinen Familienbetrieben üblich. Ihre 1912 geschlossene Ehe mit Hermann Beer aus Immendorf bei Koblenz wurde nach zehn Jahren kinderlos geschieden, soll aber tatsächlich nur wenige Tage bestanden haben, so dass sie wohl weiterhin im Elternhaus wohnte. Ihre Mutter Henriette (Babette) Rosenthal starb 1914, ihr Vater nur ein Jahr später. Möglicherweise führte einer ihrer Brüder das Geschäft eine Weile weiter, wahrscheinlich waren aber zu diesem Zeitpunkt schon alle drei aus Langenhain weggezogen, um sich eine eigene Existenz aufzubauen. Fest steht, dass Lina Beer 1928 die einzige Rosenthal in Langenhain war. Sie verdiente sich ihren bescheidenen Lebensunterhalt, indem sie als Vertreterin der Futtermittelhandlung Löwenstein und Herrenheim das ganze Ländchen zu Fuß abwanderte. Dadurch war sie in der ganzen Gegend bekannt und viele Zeitzeugen erinnern sich daher noch heute an sie. 
Nach 1933 verschlimmerte sich ihre Lebenssituation Schritt für Schritt. Ihre Verdienstmöglichkeiten dürften im gleichen Maße wie für alle jüdischen Händler auf dem Land zurückgegangen sein. Sie lebte in dieser Zeit bei Familie August Müller, die zwei Zimmer und Küche an sie vermietet hatte. An dieser Wohnung brachte einmal ein Junge aus dem Ort ein Schild an mit der Aufschrift „Juden unerwünscht“. Der Junge hielt dies - ganz unter dem Einfluss der herrschenden Propaganda - für einen kleinen Streich, aber Lina Beer weinte bitterlich darüber und später bereute er seine Tat. Vermieter August Müller erteilte ihm Hausverbot. Doch die Diskriminierungen im Alltag waren allgegenwärtig. Beim Metzger konnte sie nicht mehr einkaufen, nachdem dieser aufgefordert worden war, sie nicht mehr zu bedienen. Er versorgte sie nun unauffällig in der Küche seines Ladens. 1936 verlor sie eine enge Freundin aus der Schulzeit, die sie fast täglich besucht hatte, als der Ehemann sie zwang, den Kontakt abzubrechen. So wurde sie immer einsamer und verängstigter. Ein Zeitzeuge aus Lorsbach berichtete wie sie, als er sie begrüßen wollte, scheu vor ihm zurückwich, aus Angst seine Eltern in Misskredit zu bringen. Im Sommer 1938 erzählte sie ihrem Vermieter und seiner Familie immer wieder von Anfeindungen und als schließlich eines Tages ihre Fensterscheiben eingeworfen wurden, riet ihr August Müller aus Langenhain fortzuziehen. Am 26.10.1938 zog sie nach Frankfurt, Rödelheimer Landstraße 130, vermutlich zu ihrem Cousin Gustav und seiner Familie, die ebenfalls unter dieser Adresse gemeldet war. Gustav Rosenthal lebte bereits seit 1902 in Frankfurt und betrieb dort eine Viehhandlung. Den erhofften Schutz vor Übergriffen fand Lina Beer in Frankfurt jedoch nicht. Bei der Pogromnacht im November 1938 wurden auch Wohnung und Geschäft ihres Cousins verwüstet. Am 30.3.1940 musste Lina Beer in den Hermesweg 6, ein „Judenhaus“, umziehen. Wahrscheinlich wurde sie von ihren Verwandten getrennt, denn die letzte Adresse ihres Cousins und seiner Frau Rosa war Scheffelstraße 24. Lina Beer war mittlerweile völlig verarmt. Wie sie auf Nachfrage der Devisenstelle Frankfurt im April 1941 angab, besaß sie keinerlei Vermögen und wurde zu diesem Zeitpunkt von der jüdischen Wohlfahrtspflege unterstützt. Aus der Devisenakte ist auch der einzige Hinweis auf ihr weiteres Schicksal zu entnehmen. Am 12.5.1942 wird verfügt, dass auf ihrer Karteikarte der Vermerk „evakuiert“ anzubringen sei. Lina Beer ist also vor diesem Datum deportiert worden. Höchstwahrscheinlich wurde sie Opfer der Deportation vom 8.5.1942, bei dem 938 Menschen, darunter vor allem Unterstützungsempfänger der Jüdischen Wohlfahrtspflege, von Frankfurt aus „gen Osten“ verschleppt wurden. Der Transport war für das Durchgangslager Izbica bestimmt. Frauen, Kinder und Gebrechliche wurden von dort zum Teil direkt in das Vernichtungslager Sobibor gebracht und dort ermordet. Da keine Namenslisten für diesen Transport erhalten sind, bleiben Todesort und –datum von Lina Beer unbekannt.