Stolpersteine in Hofheim am Taunus

Stolpersteine in Hofheim am Taunus

Biografien - Familie Oppenheimer

Burgstraße 8

Adolf Oppenheimer (geb. 27.10.1871) zog aus seinem Geburtsort Hattersheim 1897 nach Hofheim. Dort betrieb er mit seiner Ehefrau Hermine Oppenheimer geb. Nachmann (geb. 17.5.1873) eine Metzgerei mit einer kleineren Gaststätte, einer so genannten Kostgeberei. Ihre drei Kinder Karl (geb. 29.5.1898), Hattel –
die als Kind verstarb – und Recha (geb. 9.12.1902) kamen alle in Hofheim zur Welt. Sie wuchsen in einem traditionell jüdischen gutbürgerlichen Haus auf. Sohn Karl lernte das Handwerk seines Vaters und arbeitete später gemeinsam mit seiner Ehefrau Hedwig im elterlichen Geschäft mit. Ab 1933 ging der Umsatz stark zurück, so dass zunächst nur die Metzgerei weiter betrieben wurde. Spätestens ab 1935 konnte nichts über die Spesen hinaus verdient werden und der Betrieb musste 1935 oder 1936 eingestellt werden. Das Haus der Oppenheimers wurde vermutlich rechtzeitig einem Verwandten von Hermine Oppenheimer überschrieben, der die amerikanische Staatsangehörigkeit besaß und daher nicht zum Verkauf gezwungen werden konnte. 1938 ist als Eigentümer der amerikanische Staatsbürger Alfred Nachmann angegeben. Bei den Ausschreitungen der Pogromnacht im November 1938 wurden bei Adolf Oppenheimer die Fensterscheiben eingeworfen. Trotz dieser Übergriffe und der schwierigen wirtschaftlichen Situation entschied sich die Familie, anders als viele Verfolgte, dafür in Hofheim zu bleiben. Nach Aussagen von Nachbarn unmittelbar nach dem Krieg bestritten die Oppenheimers ihren Lebensunterhalt indem sie in ihrem Haus Fremdenzimmer mit Vollpension vermieteten. Sie lebten bis zu ihrer Deportation in der Burgstraße 8. Nachdem im Juni 1942 bei der ersten Deportation aus dem Main-Taunus-Kreis Karl und seine Ehefrau Hedwig Oppenheimer verschleppt worden waren, traf es am 28.8.1942 Adolf Oppenheimer und seine Frau Hermine. Der Transport von Frankfurt ging am 1.9.1942 in Richtung Theresienstadt ab. Von dort wurde das Ehepaar am 29.9.1942 in das Vernichtungslager Treblinka gebracht. Ihre Todesdaten wurden später auf den 8.5.1945 festgesetzt.

Karl David Oppenheimer (geb. 29.5.1898, gest. 12.8.1942), der älteste Sohn von Adolf und Hermine Oppenheimer, war seit 1931 verheiratet mit Hedwig Oppenheimer geb. Frank (geb. 9.4.1902). Beide lebten und arbeiteten im Familienbetrieb. Angesichts der zunehmenden Verfolgung planten sie 1938 die illegale Flucht über die Grenze nach Belgien. Karl Oppenheimers Schwester Recha hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann die Kontakte geknüpft und die Flucht organisiert. Als der Fluchthelfer nicht pünktlich am verabredeten Treffpunkt eintraf schien Karl und Hedwig Oppenheimer das Risiko zu groß und sie beschlossen nach Hofheim zurückzukehren. Von dort wurden sie bei der ersten Deportation aus dem Main-Taunus-Kreis am 8.6.1942 „gen Osten“ verschleppt. Karl David Oppenheimer starb am 12. August 1942 in Majdanek. Seine Frau ist verschollen. Ihr Todesort und –datum sind unbekannt.

Recha Menasche geb. Oppenheimer (geb. 9.12.1902, gest. 25.3.1990) besuchte die Höhere Töchterschule in Hofheim. 1932 zog sie nach Gießen, aber vermutlich nur für kurze Zeit, denn nach ihrer eigenen Aussage erlebte sie den Niedergang des elterlichen Geschäftes mit. In der ersten Hälfte der 1930er Jahre zog sie allerdings nach Chemnitz, wo sie eine Stellung als Haushälterin und Erzieherin angenommen hatte. Im Januar 1938 heiratete sie dort Osias Menasche. Ihr Ehemann war Pole und musste daher im Sommer 1938 fürchten wie alle polnischen Juden über die Grenze abgeschoben zu werden. Daher beschloss das Ehepaar illegal über die Grenze nach Belgien zu fliehen. Recha Menasches Bruder Karl Oppenheimer und seine Frau Hedwig sollten die beiden begleiten, aber als die Fluchthelfer nicht pünktlich wie verabredet erschienen, kehrten Bruder und Schwägerin nach Hofheim zurück. Recha und Osias Menasche blieben zunächst in Antwerpen, mussten aber nach dem Einmarsch der deutschen Truppen 1940 weiter fliehen. Durch Frankreich über die Pyrenäen, durch Spanien und Portugal gelangten sie schließlich in die USA. Recha Menasche starb 1990 in New York.

Biografien - Familie Nachmann

Bärengasse 5

Bertha Nachmann geb. Eschenheimer (geb. 28.5.1863, gest. 5.1.1943) wurde in Esch geboren. In Hofheim lebte sie mit ihrem Ehemann, dem Metzger Leopold Nachmann und den beiden dort geborenen Kindern Friedrich (geb. 28.4.1889) und Greta (geb. 24.5.1892). Die Tochter verstarb sehr jung, kurz nach ihrer Heirat mit Alfred Löwenstein und der Geburt von Bertha Nachmanns Enkelin Irene Löwenstein. Zu Beginn des Jahres 1933, am 23. Januar, starb Leopold Nachmann und ließ
laut Familienüberlieferung seine Witwe fast mittellos zurück. Sie soll auf die Unterstützung von Verwandten und der Jüdischen Gemeinde angewiesen gewesen sein. Nach den Ereignissen der Pogromnacht im November 1938, als jüdische Hausbesitzer gezwungen wurden ihre Immobilien zu verkaufen, verlor auch Bertha Nachmann ihren letzten Besitz. Mit Beschluss vom 8.6.1939 erwarb die Stadt Hofheim ihr Haus in der Bärengasse. Am 3. März 1941 zog sie mit ihrem Sohn nach Frankfurt, Roßdorfer Straße 23. Bei dieser Adresse handelt es sich um ein so genanntes „Judenhaus“ in dem Juden zwangsweise leben mussten und von wo sie in Sammeltransporten deportiert wurden. Aus der Roßdorfer Straße 23 sind 21 Menschen verschleppt worden. Bertha Nachmann wurde am 15.9.1942 nach Theresienstadt verschleppt, wo sie am 5. Januar 1943 starb.

Friedrich Nachmann (geb. 28.4.1889) hatte nach dem Besuch der Volksschule in Hofheim wie sein Vater Leopold Nachmann das Metzgerhandwerk gelernt. Später verdiente er seinen Lebensunterhalt vermutlich aber als Händler. Zwischen 1915 und 1932 war er mehrfach nach Frankfurt abgemeldet, wohnte dann aber wieder im elterlichen Haus in Hofheim. Nach dem Zwangsverkauf des Hauses wohnte er möglicherweise in der Burgstraße 8, bei Familie Oppenheimer. Zusammen mit seiner Mutter Bertha Nachmann verzog er im März 1941 nach Frankfurt, Roßdorfer Straße 23. Laut Recherchen seines Nachfahren Abraham Frank wurde Friedrich Nachmann am 27. März 1943 nach Polen deportiert. Sein weiteres Schicksal und das Datum seines Todes sind nicht bekannt.

Irene Mayer geb. Löwenstein (geb. 1.6.1919), die Enkelin Bertha Nachmanns, kam in Schornsheim, dem Heimatort ihres Vaters Alfred Löwenstein (geb. 21.7.1892, gest. März 1971) zur Welt, verbrachte aber schon ihre ersten drei Lebensjahre in Hofheim. Ihre Mutter Greta Löwenstein geb. Nachmann starb bereits nach dreijähriger Ehe. Vater und Tochter lebten anschließend in Wörrstadt. Vor der nationalsozialistischen Verfolgung flüchteten beide 1935 in das US-amerikanische Exil. Tragischerweise erfüllte Irene Löwenstein ihrer verarmten einsamen Großmutter Bertha Nachmann den Wunsch zu ihr nach Deutschland zurückzukehren. 1937 zog sie nach Frankfurt. 1939 wurde sie offensichtlich verhaftet, denn am 31.3.1939 ist sie im Konzentrationslager Ravensbrück mit der Häftlingsnummer 1363 registriert. Doch sie kehrte noch einmal nach Frankfurt zurück. Sie hatte inzwischen geheiratet und am 31. März 1941 kam ihr Sohn Joel Mayer zur Welt. Nur acht Monate später am 22.11.1941 wurde sie zusammen mit ihrem Ehemann Manfred Mayer (geb. 14.8.1912) und ihrem kleinen Sohn nach Riga verschleppt. Wegen Überfüllung des Rigaer Ghettos wurde der Zug umgeleitet und die Verschleppten am 25.11.1941 in Kowno ermordet. Unter ihnen war wahrscheinlich auch die Familie Mayer.

Biografien - Familie Rosenthal

Brühlstraße 3

Isidor Rosenthal (geb. 23.11.1876, gest. 15.12.1962) entstammte der weitverzweigten Familie Rosenthal, die in Langenhain seit dem Ende des 18. Jh. nachzuweisen ist. Seine Eltern waren Jacob Rosenthal und Sophie geb. Scheuer und damit war er ein Cousin der noch heute in Langenhain bekannten Lina Beer geb. Rosenthal, denn ihre Väter waren Halbbrüder. Isidor Rosenthal zog 1904 nach Hofheim und betrieb dort zusammen mit seiner Frau Mathilde eine gut gehende Zucht- und Milchviehhandlung. Sie bekamen zwei Söhne, Hermann und Kurt. Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten hatte für die Familie unmittelbare Auswirkungen. Im August 1933 wurde der älteste Sohn Hermann unter falschen Anschuldigungen für eine Woche im Gefängnis in Wiesbaden inhaftiert. Auch das Viehhandelsgeschäft litt unter den nationalsozialistischen Maßnahmen. So erinnerte sich Isidor Rosenthal nach dem Krieg, dass der Kreisleiter der NSDAP in Bad Soden den Bauern, die weiterhin mit Juden Geschäfte machten, damit drohte, sie von der bevorzugten Lieferung von Düngemitteln und Saatgut auszuschließen und auch die Milchabnahme zu verweigern. In der Folge kam das Geschäft Isidor Rosenthals in kürzester Zeit zum Erliegen und er musste seine Familie von den Ersparnissen ernähren. Im August 1935 verzog die Familie nach Frankfurt, Wiesenau 8. Im Oktober 1937 wanderte Isidor Rosenthal mit seiner Frau, seinem älteren Sohn Hermann und dessen Ehefrau Maud nach Mailand aus. Auch dort wurde bald gegen deutsche Juden vorgegangen und so blieb nur die weitere Flucht, zunächst nach Palästina. Nach Ablauf der Visa erfolgte die Ausweisung durch die Briten und im April 1940 gelang schließlich die Einreise in die USA.

Mathilde Rosenthal geb. Hamburger (geb. 18.8.1880) wurde in Alzenau geboren. Als Ehefrau von Isidor Rosenthal erledigte sie in dessen Viehhandelsgeschäft die Buchhaltung und Korrespondenz. Mit dem ältesten Sohn, Schwiegertochter und Ehemann floh sie Ende 1937 über Mailand und Palästina in die USA. In den 1960er Jahren lebte sie in New York.

Hermann Rosenthal (geb. 28.3.1905) war als ältester Sohn von Isidor und Mathilde Rosenthal in Hofheim geboren. Er war von Beruf Handelsvertreter und seit 1930 Teilhaber im Agenturgeschäft Siegmund Sommer in Frankfurt. Am 18. August 1933 wurde er unter der Beschuldigung verhaftet, einen SA-Mann aus Hofheim geschlagen zu haben, so dass dieser Magenblutungen davongetragen habe. Bei der Untersuchung im Krankenhaus stellte sich heraus, dass das vermeintliche Opfer keinerlei Verletzungen aufwies und die Anschuldigungen gegen Hermann Rosenthal frei erfunden hatte, um von ihm Geld zu erpressen. Hermann Rosenthal musste dennoch eine Woche im Gefängnis verbringen, bis sich der Sachverhalt aufgeklärt hatte. Bei der Entlassung riet der Landrat der Familie, Hofheim zu verlassen, da die Gefahr bestünde, dass die SA an ihnen Rache nehmen würde. Aber erst zwei Jahre später zog die ganze Familie nach Frankfurt, Wiesenau 8. 1937 wanderte Hermann Rosenthal mit seiner Frau Maud und seinen Eltern über Mailand nach Palästina aus. 1940 gelang die Einreise in die USA.

Kurt Rosenthal (geb. 19.1.1917) wurde in Hanau geboren, besuchte aber die Realschule in Hofheim. Anschließend absolvierte er eine kaufmännische Lehre in der Tuchgroßhandlung Moritz Edenfeld in Frankfurt. Im August 1935 zog er mit Eltern und Bruder nach Frankfurt, Wiesenau 8. 1936 fand er eine Anstellung bei der Firma Siegmund Sommer in Frankfurt. Nachdem seine Arbeitgeber aufgrund der Boykottmaßnahmen die Firma schließen mussten, gelang ihm 1938 die Emigration in die USA.

Biografien - Familie Allmeier

Neugasse 43

Eduard Allmeier (geb. 11.6.1879, gest. 2.2.1958) geboren in Mühlheim am Main, betrieb in Hofheim bis 1925 eine Maßschneiderei. In erster Ehe war er verheiratet mit Silla Allmeier, geb. Grünbaum. 1905 kam ihr gemeinsamer Sohn Siegfried zur Welt, 1907 Tochter Berta. Um 1920 starb Silla Allmeier und Eduard Allmeier heiratete am 12. April 1921

Jenny Allmeier, geb. Kirchheimer (geb. 6.7.1892, gest. 26.1.1976) aus Berwangen. Zwei Jahre später wurde ihre gemeinsame Tochter Ruth geboren. 1925 übergab Eduard Allmeier seine Schneiderei in Hofheim an seinen Sohn Siegfried, arbeitete aber vermutlich noch im Geschäft mit. Am 29.7.1938 übersiedelte die ganze Familie nach Frankfurt M., Obermainanlage. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurde Eduard Allmeier vom 16. November 1938 bis zum 3. Januar 1939 im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Nach seiner Entlassung gelang es ihm und seiner Frau nach Palästina auszuwandern. Er starb in Israel am 2. Februar 1958, seine Frau Jenny Allmeier am 26. Januar 1976. 

Siegfried Allmeier (geb. 3.8.1905), der Sohn von Eduard Allmeier aus erster Ehe, übernahm 1925 den väterlichen Konfektionsbetrieb in Hofheim. Nachdem die Familie am 29.7.1938 nach Frankfurt, Obermainanlage umgezogen war, eröffnete er dort gemeinsam mit dem Vater wieder eine Schneiderei. Ebenso wie sein Vater wurde er im Zuge der Verhaftungsaktion jüdischer Männer nach dem Novemberpogrom 1938 im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Nach seiner Entlassung am 13. Februar 1939 verpflichtete man ihn zur Zwangsarbeit, so 1940 als Hilfsarbeiter in der Kohlenhandlung Kitz. Sein Vater und seine Stiefmutter waren bereits nach Palästina ausgewandert und er bemühte sich eine Ausreisegenehmigung zu erlangen, was ihm aber nicht mehr gelingen sollte. 1942 ist er in der Schwanenstraße 22 gemeldet, einem so genannten „Judenhaus“. Von dieser Adresse wurden 27 Personen bei mehreren Deportationen verschleppt. Die Angaben zu Siegfried Allmeiers Schicksal sind widersprüchlich. Nach einem Bericht des Suchdienstes des Internationalen Roten Kreuzes wurde er am 1. September 1942 nach Theresienstadt verschleppt und in Auschwitz ermordet. Laut einem Vermerk in den Devisenakten wurde er dagegen bereits vor dem 17. Juli 1942 „evakuiert“, vermutlich zusammen mit seiner Ehefrau Judith Allmeier, geb. Aronsohn, in das Vernichtungslager Majdanek.

Berta Allmeier (geb. 21.10.1907) wurde wie ihr Vater Eduard und ihr Bruder Siegfried in Mühlheim am Main geboren. Weitere Angaben über ihr Leben sind spärlich, da sie nur in einer einzigen Quelle erwähnt wird. Danach soll ihr 1939 ebenfalls die Flucht ins Ausland gelungen sein. Sie muss aber in jedem Fall jung verstorben sein, denn im Testament ihres Vaters von 1958 ist von seiner „verstorbenen Tochter Berta Allmeier“ die Rede. Sie wäre zu diesem Zeitpunkt 51 Jahre alt gewesen. 

Bella Allmeier (geb. 1.6.1914) ist nur in einer Liste jüdischer Einwohner Hofheims vom November 1933 aufgeführt. Sie war eine Tochter Eduard Allmeiers aus erster Ehe. Nach Angaben von Zeitzeugen gelang ihr die Flucht nach England, wo sie aber bald darauf verstarb. 

Ruth Allmeier (geb. 12.4.1923) war das einzige Kind von Eduard und Jenny Allmeier, geb. Kirchheimer. Am 29.7.1938 zog sie mit Eltern und Halbbruder nach Frankfurt M., Obermainanlage und wanderte vermutlich auch mit den Eltern nach Palästina aus. Sie lebt später als verheiratete Dominsky in Israel.

Lorsbacher Straße 36 

Biografien - Familie Kahn  

Karl Kahn (geb. 9.12.1895, gest. 20.5.1938) kam in Diedenbergen zur Welt. In Höchst heiratete er 1927 Antoinette Späthe und ein Jahr später wurde dort auch ihr gemeinsamer Sohn Kurt Erich geboren. Karl Kahn war sportbegeistert, gehörte der ‚Eintracht Frankfurt’ an und wurde nach dem Umzug nach Hofheim Mitglied des Hofheimer Fußballklubs. Den Lebensunterhalt der Familie verdiente er mit einer Futtermittelgroßhandlung. Nach 1933 ging sein Geschäft infolge der Boykottmaßnahmen mehr und mehr zurück und kam schließlich vollständig zum Erliegen. Laut Zeitzeugenaussagen unmittelbar nach dem Krieg zog man ihn später auf Veranlassung des Ortsgruppenleiters zu Gleisbauarbeiten heran. Vermutlich 1937 wurde er von Hofheimer SA-Leuten verhaftet. Zunächst blieb er zwei Wochen vor Ort inhaftiert und wurde dann in die Gestapozentrale in Frankfurt am Main, Lindenstraße 27, gebracht. Er verblieb vermutlich mehrere Wochen in Gestapo-Haft. Nach seiner Entlassung und Rückkehr nach Hofheim wurde Karl Kahn weiterhin schikaniert und gequält. Sein Sohn erinnerte sich nach dem Krieg, wie der Vater in einem offenen Wagen der Hofheimer SA jeden Freitag öffentlich durch die Stadt gefahren wurde und ein Schild vor sich halten musste mit der Aufschrift „Hier fährt ein Jude“. Wenige Wochen später verhaftete man ihn erneut. Diesmal überführte man ihn aus der Gestapohaft in Frankfurt für 5 oder 6 Monate in das Konzentrationslager Dachau. Als Karl Kahn diesmal zu seiner Familie zurückkehrte war er ein schwerkranker Mann. Er musste sich sofort in stationäre Behandlung begeben. Bereits in der Nacht nach seiner Einlieferung ist er im Städtischen Marienkrankenhaus in Hofheim gestorben. In der mündlichen Überlieferung seines Geburtsortes Diedenbergen hält sich bis heute die Aussage, Karl Kahn habe nach all den Quälereien seinem Leben selbst ein Ende gesetzt. In amtlichen Unterlagen fand sich dafür keine Bestätigung. Sein Tod im Hofheimer Krankenhaus ist dagegen eindeutig bescheinigt.

Antoinette Else Kahn, geb. Späthe (geb. 16.4.1900, gest. 30.8.1965) wurde in Frankfurt am Main geboren. Sie entstammte keiner jüdischen Familie und war auch dem Bekenntnis nach katholisch, und galt also nach den rassistischen Kriterien der Nationalsozialisten als „Arierin“. Durch ihre Heirat mit Karl Kahn sollte sie jedoch ebenfalls zur Zielscheibe nationalsozialistischen Terrors werden. Nach den massiven Verfolgungen ihres Ehemannes und seiner Einlieferung in das Konzentrationslager Dachau 1938 wurde auf Antoinette Kahn Druck ausgeübt mit dem gemeinsamen Sohn Kurt Erich Hofheim zu verlassen. Wie ihr Sohn nach dem Krieg berichtete, wurde sie Anfang 1939 zum Ortsgruppenleiter der NSDAP vorgeladen, der sie aufforderte den Ort zu verlassen, da er die Stadt ‚judenrein’ machen wolle. Antoinette Späthe war herzleidend und musste Aufregungen nach Möglichkeit vermeiden. So blieb ihr nichts anderes übrig als dem Druck nachzugeben und mit ihrem Sohn wegzuziehen. Sie übersiedelten nach Höchst. Antoinette Kahn lebte dort bis zu ihrem Tod 1965. 

Kurt Erich Kahn (geb. 10.7.1928) besuchte ab 1934 in Hofheim die Volksschule und wechselte Ostern 1938 an die dortige Mittelschule. Trotz seines katholischen Bekenntnisses galt er als Jude, denn aufgrund der jüdischen Abstammung seines Vaters sah man ihn gemäß der rassistischen Definition der Nürnberger Gesetze als so genannten „Mischling ersten Grades“ an. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits der einzige „nichtarische“ Schüler an der Mittelschule. Nach dem Tod seines Vaters durch die Folgen der KZ-Haft wurde auch auf Kurt Erich Kahn verstärkt Druck ausgeübt. Bei einer Vorladung zum Schuldirektor erfuhr seine Mutter, dass man seine Anwesenheit in der Schule von Seiten der NSDAP für einen untragbaren Zustand halte. Der Rektor legte ihr nahe, den Sohn so bald wie möglich abzumelden. Mutter und Sohn zogen um nach Höchst, wo sich Kurt Erich Kahn um die Aufnahme in die Realschule bemühte, die ihm aber ebenfalls verweigert wurde. Ab dem Sommer 1939 besuchte er dann die Volksschule in Höchst. Nach seinem Schulabschluss konnte er aufgrund seiner „nichtarischen“ Abstammung keine Lehrstelle finden. Es blieb ihm nichts anderes als die Beschäftigung als Hilfsarbeiter bei den IG-Farben in Höchst. Als „Mischling ersten Grades“ war er von zahlreichen diskriminierenden Gesetzen betroffen, so erhielt er zum Beispiel bei Einführung der Lebensmittelkarten die für Juden vorgesehenen J-Karten, die wesentlich geringere Rationen vorsahen als die regulären Karten. Trotz der schwierigen Lebensumstände überlebte Kurt Erich Kahn Verfolgung und Krieg und wanderte 1951 in die USA aus.

Am Alten Bach (ehemals Mühlgasse 4) Hofheim

Biografien - Familie Strahlheim

Selma Strahlheim, geb. Levy (geb. 18.10.1880) zog 1907 aus ihrem Geburtsort Werdorf, Kreis Wetzlar nach Hofheim, vermutlich anlässlich der Heirat mit

Eleasar Strahlheim (geb. 24.12.1858, gest. 1934), Eleasar Strahlheim war als Viehhändler in der ganzen Stadt bekannt und ist noch heute in Erzählungen als „de Leser“ präsent. Er war ein aktives Mitglied der jüdischen Kultusgemeinde – zeitweilig sogar als deren Vorsteher. Nach seinem Tod im Jahr 1934 lebte seine Witwe mit ihren Töchtern Johanna und Rosa zunächst weiter im eigenen Haus in der Mühlgasse. Nach dem Novemberpogrom 1938 war sie aber wie alle jüdischen Hauseigentümer gezwungen zu verkaufen. Die Stadt Hofheim erwarb Haus und Grundstück für 8300 Reichsmark. Am 26. September 1940 zog Selma Strahlheim zu ihrer Tochter Johanna, die inzwischen verheiratet war und mit ihrem Ehemann Ludwig Hahn in Frankfurt lebte. Die letzte gemeinsame Adresse der drei war Frankfurt, Schwanenstraße 22. Dabei handelte es sich um ein so genanntes „Judenhaus“. Zwischen Oktober 1941 und 1945 sind von dieser Adresse 27 Menschen verschleppt worden, darunter nachweislich auch Johanna und Ludwig Hahn. Über das weitere Schicksal Selma Strahlheims ist nichts Genaues bekannt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wurde aber auch sie in ein Vernichtungslager deportiert. Dem Suchdienst des Internationalen Roten Kreuzes gelang es nach dem Krieg nicht, ihre Spur wieder zu finden oder ihren Todestag zu ermitteln. Ihr Todesdatum wurde aus juristischen Gründen – wie in vielen ähnlichen ungeklärten Fällen - auf den 8. Mai 1945 festgesetzt, den Tag des Kriegsendes.

Johanna Hahn, geb. Strahlheim (geb. 27.11.1909), die älteste Tochter von Eleasar und Selma Strahlheim, arbeitete als Verkäuferin. Am 4. März 1939 heiratete sie in Hofheim Ludwig Hahn (geb. 1.11.1904) und zog sechs Wochen später mit ihrem Ehemann nach Frankfurt, Gausstraße 8. Im September des folgenden Jahres zog auch ihre Mutter aus Hofheim zu Tochter und Schwiegersohn. Ludwig Hahn hatte als Angestellter bei der Dresdner Bank gearbeitet. Wann er diese Anstellung verlor ist nicht mehr feststellbar. 1942 war er als Hilfsarbeiter registriert. Johanna Hahn, ihr Ehemann und ihre Mutter wohnten zuletzt zwangsweise in der Schwanenstraße 22. Von dort wurde das Ehepaar am 10.6.1942 nach Majdanek verschleppt, wo sich ihre Spur verliert. Das Todesdatum von Johanna Hahn, geb. Strahlheim wurde nachträglich auf den 8.5.1945 festgesetzt.

Rosa (Rosel) Strahlheim (geb. 18.7.1911), die jüngere Schwester Johanna Hahns, war eine begabte Pianistin. Sie studierte am Konservatorium in Höchst und spielte in der bekannten Hauckschen Kapelle. Am 18.2.1938 gelang ihr die Auswanderung in die USA.

Elisabethenstraße 32 (ehemals Nr. 16)

Biografien - Familie Weiss

Adolf Weiss (geb. 13.12.1883) wurde in Mainz-Kastel geboren. Im Juli 1913 erwarb er zusammen mit seiner Ehefrau
Mina Weiss, geb. Sonnenberg (geb. 18.2.1888) in Hofheim Haus und Grundstück, Elisabethenstraße. 16 und eröffnete dort einen Altwarenhandel. Im folgenden Jahr kam ihre Tochter Erna zur Welt.
Nach 1933 trafen die Boykotte gegen jüdische Geschäftsleute auch den Betrieb von Adolf Weiss. Beim Novemberpogrom 1938 wurden in seinem Haus laut Schadensbericht der Polizei in vier Zimmern Fensterrahmen und -scheiben zertrümmert und die Dachziegel auf dem Wohnhaus beschädigt. Kurze Zeit später war das Ehepaar gezwungen seine Immobilie zu verkaufen. Durch Kaufvertrag vom 6. Juni 1939 ging das Grundstück an die Stadtgemeinde Hofheim. Adolf und Mina Weiss wurde ein Wohnrecht für die Dauer von fünf Monaten eingeräumt. Möglicherweise blieben sie noch länger in ihrem alten Haus wohnen, denn erst am 9. Januar 1942 erfolgte ihre Ummeldung in die Burgstraße 8, in die Pension der Familie Oppenheimer. Von dort wurden sie gemeinsam mit Karl und Hedwig Oppenheimer am 8. Juni 1942 bei der ersten Deportation aus dem Main-Taunus-Kreis nach Frankfurt gebracht. Am 11.6.1942 verließ ein Transport mit 618 Menschen das Gelände der Frankfurter Großmarkthalle in Richtung Izbica. Von diesem Transport sind keine Überlebenden bekannt.

Erna Schwarzschild, geb. Weiss (geb. 11.9.1914), die Tochter von Adolf und Mina Weiss, heiratete Julius Schwarzschild (geb. 7.11.1912), am 16. September 1938 einen gebürtigen Flörsheimer und dieser zog als Ehemann zu ihr in das elterliche Haus in der Elisabethenstraße 16, aber das Paar hatte bereits einen Visumsantrag gestellt, um in die USA auszuwandern. Während sie auf eine Ausreisemöglichkeit warteten, verschärfte sich ihre Lage, denn bei der Verhaftungsaktion gegen jüdische Männer nach dem Novemberpogrom 1938 wurde auch Julius Schwarzschild festgenommen. Vom 12.11.1938 bis 20.12.1938 wurde er im Konzentrationslager Buchenwald festgehalten und schließlich nur unter der Bedingung entlassen, dass er Deutschland innerhalb von drei Monaten verlassen würde. Das junge Paar ging nach Großbritannien mit der Absicht von dort in die USA weiterzureisen. Der Kriegsausbruch vereitelte jedoch diese Pläne. Julius Schwarzschild trat im November 1940 in die britische Armee ein und nahm einen englischen Namen an. Nach Kriegsende, im Dezember 1948, wanderte das Paar schließlich in die USA aus.

Rödersteinweg 4 

Biografie - Frau Kopp 

Emma Kopp (geb. 2.4.1864, gest. 31.8.1941) wurde in Offenbach am Main geboren. 1910 zog sie nach Hofheim und wurde Teil des Künstlerkreises um die Malerin Ottilie W. Roederstein und deren Lebensgefährtin, der ersten Chirurgin in Deutschland, Elisabeth Winterhalter. Emma Kopp hatte sich dem Kunstgewerbe verschrieben. Als sehr wohlhabende Frau und Freundin von Ottilie W. Roederstein, die sie oft malte und zeichnete, und Hannah Bekker vom Rath gehörte sie zur Künstlerprominenz der Stadt und genoss ein entsprechendes Ansehen. In der Einwohnermeldekarte ist für sie in der Rubrik Religionszugehörigkeit das Wort „Dissidentin“ eingetragen. 
Zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft mag sie das und ihre Freundschaft mit den Ehrenbürgerinnen in gewissem Maße vor allzu offener Diskriminierung geschützt haben, aber schließlich bekam auch sie die Auswirkungen der Verfolgungsmaßnahmen zu spüren. Als Ende 1938 jüdische Eigentümer von Grundbesitz gezwungen wurden, ihre Häuser und Grundstücke zu verkaufen, traf es auch Emma Kopp. Der Main-Taunus-Kreis interessierte sich für ihre prächtige Villa, um sie als Dienstwohnung für den Landrat zu nutzen und übte über Bürgermeister Meyrer entsprechenden Druck aus. Zu den mündlichen Verhandlungen mit dem Bürgermeister wurde Emma Kopp von Dr. Elisabeth Winterhalter begleitet. Zeitzeugen glauben, dass auch Hannah Bekker vom Rath sich für die Freundin eingesetzt habe, aber an den Tatsachen konnte alle Fürsprache nichts ändern. Immerhin ist es wohl als Zugeständnis anzusehen, dass Emma Kopp das Haus Kurhausstraße 31 mit Garten zur Miete als Ersatz angeboten wurde. Dem darin wohnenden Mieter wurde eine Entschädigung und Abfindung in Höhe von 300 RM vom Kreis angeboten. Dieses Haus gehörte Flora Gollhard geb. Lippmann, die bereits nach London emigriert war. Am 12. Januar 1939 forderte Bürgermeister Meyrer Emma Kopp höflich, aber unmissverständlich auf, innerhalb einer Frist von drei Tagen der besprochenen Regelung zuzustimmen, nach der sie bis zum 5. Februar 1939 ihr Anwesen zu räumen hatte. Der Kaufvertrag wurde schließlich am 24. Januar abgeschlossen. Emma Kopp zog in die Kurhausstraße 31 und musste nun von 300 Reichsmark im Monat leben, denn dies war die Höchstsumme, die sie monatlich von ihrem gesperrten Konto abheben durfte. Sie war zu dieser Zeit bereits krank und auf die Hilfe einer Pflegerin angewiesen. Um die Pflege bezahlen zu können, beantragte sie eine Erhöhung der als „Freibetrag“ bezeichneten auszahlbaren Summe auf 450 Reichsmark, was ihr schließlich am 29.5.1940 gewährt wurde. Emma Kopp starb am 31.08.1941 in Hofheim.

Kurhausstraße 53 (ehemals Kurhausstraße 31) 

HIER WOHNTE 
ADELE LIPMANN 
JG. 1879 
EINGEWIESEN 1938 
HEILANSTALT EICHBERG 
SCHICKSAL UNBEKANNT 

Adele Lipmann (geb. 6.10.1879) wurde in Offenbach am Main geboren. Von 1928 bis 1932 und dann von 1935 bis 1938 wohnte sie in der Kurhausstraße 31, dem Haus ihres Vaters Abraham Lipmann (gest. 1920). Ihre Geschwister waren Alice (Schicksal unbekannt), Ludwig und Hermann, die bereits als junge Erwachsene an Schwindsucht und Tuberkulose starben. Ihr dritter Bruder Heinrich heiratete Clementine geb. Heymann. Sie bekamen die Töchter Flora und Rosalie. 1911 beging Heinrich Lipmann Selbstmord. Zwei Jahre später zog Clementine mit den 8 und 10 Jahre alten Mädchen nach Hofheim. Ungefähr einen Monat wohnten sie bei dem Schwiegervater Abraham Lipmann bis der Umzug in die Kurhausstraße 22 möglich war. Laut Einwohnermeldekartei war Adele Lipmann bereits von August 1932 bis Juli 1935 in der jüdischen psychiatrischen Anstalt in Sayn (Bendorf), den Jacoby’schen Anstalten, untergebracht. Der Begründer dieser Klinik, Synagogenvorsteher Meyer Jacoby, bot für seine jüdischen Patienten koscheres Essen an und die Möglichkeiten zur Ausübung ihrer Religion. 
Nach dem Wegzug ihrer Verwandten Clementine Lipmann mit den Töchtern Flora und Rosalie im Herbst 1937 in die USA blieb Adele Lipmann noch ein Jahr in Hofheim gemeldet. Am 30. September 1938 erfolgte die Abmeldung zur Heilanstalt Eichberg. 
Die Landesheil- und Pflegeanstalt Eichberg für psychisch kranke Menschen wurde in der Zeit des Nationalsozialismus zu einem Ort des Schreckens. Durch Überbelegung und Mangelernährung starben viele Patienten. Ab 1941 war die Anstalt im Rahmen der Tötungsaktion „T4“ Durchgangsstation für Kranke, die in den Gaskammern der Tötungsanstalt Hadamar umgebracht werden sollten. Aber auch in der Anstalt Eichberg selbst geschahen geplante Krankenmorde, zunächst auf der Kinderstation, ab 1942 auch von Erwachsenen. 
Ob dies auch das Schicksal von Adele Lipmann war, ließ sich nicht mehr feststellen. * 
Im Februar 1939 musste Emma Kopp, ehemals Jüdin, die frühere Wohnung von Adele Lipmann in der Kurhausstraße 31 beziehen, nachdem der Main-Taunus-Kreis sie gezwungen hatte, ihre Villa am Deschweg (heute Roedersteinweg) zu verkaufen. 

* Bekannt seit dem 30.8.2013: Im Gedenkbuch des Bundesarchives ist das Todesdatum von Adele Lipmann mit dem 5.2.1941, in Hadamar, angegeben.

Burgstraße 6a (ehemals Burgstraße 8) 

Biografie - FERDINAND SCHWARZ

JG. 1920 
UNFREIWILLIG VERZOGEN 
1938 FRANKFURT 
DEPORTIERT 1942 
MAJDANEK 
ERMORDET

 

Schwarz, Ferdinand (geb. am 27.5.1920, gest. 1942) wurde in Merenberg, Kreis Oberlahn geboren. In der Einwohnermeldekartei ist sein Zuzug am 8.9.1936 von Frankfurt (Dominikanerplatz) nach Hofheim am Taunus eingetragen. 
Unterkunft erhielt er bei der Familie Oppenheimer in der Burgstraße 8, die eine Pension mit Vollverpflegung betrieb. Ferdinand Schwarz hatte eine Ausbildung zum Schneider begonnen. Als Jude konnte er seine Lehre nur in einem jüdischen Betrieb aufnehmen. Einträge in den entsprechenden Meldekarteien lassen den Schluss zu, dass der Ausbildungsbetrieb die Maßschneiderei Allmeier in der Neugasse 43 war. Am 28.7.1938 meldete sich Ferdinand Schwarz nach Frankfurt, Obermainanlage 16 ab. Einen Tag später erfolgte die Abmeldung (29.7.1938) von Eduard Allmeier und seiner Familie, ebenfalls in die Obermainanlage 16. Schneidermeister Eduard Allmeier hatte bereits 1925 seine Schneiderei an den Sohn Siegfried abgegeben; aus dem Geschäft zog er sich jedoch nicht ganz zurück. Gemeinsam versuchten sie in Frankfurt ihr Geschäft wieder aufzubauen. Es ist zu vermuten, dass Ferdinand Schwarz hier seine Lehre fortsetzten wollte. Kurz nach dem Novemberpogrom 1938 wurde Eduard Allmeier jedoch inhaftiert und war bis Januar 1939 im Konzentrationslager Dachau. Im gleichen Jahr gelang ihm die Flucht mit seiner Frau nach Palästina. Sein Sohn Siegfried Allmeier erlitt das gleiche Schicksal, wurde jedoch 1939 zusätzlich zur Zwangsarbeit verpflichtet. Ferdinand Schwarz hatte somit keine Möglichkeiten seine Lehre zu beenden. Wie es ihm bis zur Deportation erging, konnte nicht mehr rekonstruiert werden. 1942 wurde er nach Majdanek verschleppt und kam dort zu Tode. Siegfried Allmeier wurde ebenfalls 1942 deportiert und soll ebenfalls in Majdanek ermordet worden sein. Ob beide sich auf demselben Transport befanden oder sich in dem Vernichtungslager wieder trafen, ist nicht mehr feststellbar. 

Um einen Eindruck zu vermitteln, wie es Ferdinand Schwarz in Hofheim ergangen sein könnte, wird an dieser Stelle ein Bericht von Herbert Frankenhuis, Niederländer und ebenfalls 1920 geboren, Lehrling im Kaufhaus Schiff in Höchst, wiedergegeben. 1936 beschwerte er sich bei seinem Konsul über mehrfache Belästigungen durch Hofheimer Jugendliche. Er wohnte kurz in der Pension Oppenheimer, anschließend privat bei Familie Lipmann in der Kurhausstraße (Aug. 1937 Rückkehr in die Niederlande). 

„Am Freitag, den 11.12.1936 bin ich wieder um 17.45 in Hofheim angekommen und durch die Mühlgasse gegangen. Am Bahnhof befanden sich einige Jungen, die gleich hinter mir hergingen. Unweit des Bahnhofs (bei der Apotheke) kamen noch 3 Jungen mit Fahrrädern hinzu, die andauernd um mich herumfuhren und mir nachfolgten. An der Ecke Mühlgasse standen noch einige Jungens, die sich den übrigen anschlossen. Als ich in die Nähe der Abzweigung der Mühlgasse kam, hat einer meiner Begleiter durch die Finger gepfiffen, worauf ein Junge aus der Abzweigung heraussprang und mir mit der Faust einen Schlag auf die Nase versetzte. Ich habe lediglich das Wort „Idiot“ gesagt und bin weitergegangen. Die ganze Horde lief mir nun nach und warf noch mit Steinen, als ich das Haus Lipmann betrat. Getroffen bin ich aber nicht worden. Zur Polizei bin ich nicht gegangen, weil ich mich gefürchtet habe, aus dem Haus zu gehen…“

Am alten Bach 2-4 (ehemals Mühlgasse 4) 

Biografie - Eduard Wieseneck 

             HIER WOHNTE        
       EDUARD WIESENECK
                   JG. 1886                
   UNFREIWILLIG VERZOGEN
           1939 FRANKFURT 
           DEPORTIERT 1942 
           THERESIENSTADT 
            1943 AUSCHWITZ 
                  ERMORDET 

Eduard Wieseneck (geb. 23.05.1886, gest. 1943) wurde in Langen, Kreis Offenbach, geboren und zog 1901 mit seiner Mutter Bertha Wieseneck geb. Strahlheim nach Hofheim in die Mühlgasse 4. Sein Beruf ist in der Einwohnermeldekartei mit Kaufmann angegeben. Im November 1915 trat er beim Heer ein und nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil. Vermutlich 1924 heiratete Eduard Wieseneck Johanna geb. Mannheimer aus Flörsheim und zog mit ihr im Mai des gleichen Jahres in die Neugasse 24. Vier Jahre später trennten sich beide und im November 1928 meldete sich seine Ehefrau nach Frankfurt Höchst ab. Eduard Wieseneck zog zurück in die Mühlgasse 4, in das Haus seines Onkels, Eleasar Strahlheim, der es mit seiner Frau Selma und den Töchtern Johanna und Rosel bewohnte. Außer der Familie Strahlheim waren in der Mühlgasse 4 noch Eleasars lediger Bruder Rafael (1856 – 1928) und die ebenfalls ledige Schwester Henriette (1860-1939) gemeldet. Nach einer „Kontrollkarte über die Verabfolgung der Reichsverbilligungsscheine für Speisefette“, letzter Eintrag 17.1.1939, hatte Eduard Wieseneck seit Januar 1937 kein eigenes Einkommen mehr. Nachdem seine Tante im Januar 1939 verstorben war und das Haus von der Frau seines Onkels Eleasar verkauft werden musste, zog er im April 1939 in die Quinkestraße 13 in Frankfurt. Am 15.09.1942 wurde er aus Frankfurt, Tiergarten, nach Theresienstadt deportiert, von dort nach Auschwitz verschleppt und vermutlich 1943 ermordet.

Clementine Lipmann, geb. Heymann (geb. 25.5.1873) geboren in Kirchberg (Simmern) war die Witwe von Heinrich Lipmann, der bereits 1911 Selbstmord beging. Laut Einwohnermeldekarte lebte sie erst seit 1913 in Hofheim, aber ihre jüngste Tochter Rosalie wurde 1905 bereits in Hofheim geboren. Die ältere Tochter Flora war zwei Jahre zuvor in Mainz geboren worden. Clementine Lipmann wohnte mit ihren beiden Töchtern in der Kurhausstraße 22. Um den Lebensunterhalt aufzubessern vermietete sie ein Zimmer des Hauses an den niederländischen jüdischen Lehrling Herbert Frankenhuis, der eine Ausbildung im ebenfalls jüdischen Kaufhaus Schiff in Höchst machte. Herbert Frankenhuis beschwerte sich 1936 bei seinem Konsul über mehrfache - auch handgreifliche - Belästigungen durch Hofheimer Jugendliche auf seinem abendlichen Weg zum Hause Lipmann. 1937 kehrte er in die Niederlande zurück. Auch Clementine Lipmann verließ mit ihren Töchtern Flora und Rosalie Hofheim. Rosalie wanderte direkt in die USA aus, während Clementine Lipmann und die zweite Tochter in Frankfurt eine Wohnung in der Liebigstraße 1 bezogen. Auch sie waren bereits 1937 – mehr als ein Jahr vor den Ausschreitungen in der Pogromnacht im November 1938 – von Nationalsozialisten bedroht worden und man hatte die Fenster des Hauses eingeworfen. Im Februar 1938 gelang den beiden Frauen ebenfalls die Auswanderung in die USA.

Flora Lipmann (geb. 16.2.1903) war von Beruf Kontoristin. Bis zum 31. August 1937 arbeitete sie als Fremdsprachenkorrespondentin bei den Enameline-Werken in Höchst. Als jüdische Angestellte wurde sie bei der „Arisierung“ des Unternehmens, das heißt dem zwangsweisen Verkauf an „arische“ Eigentümer, ebenfalls entlassen. Im September 1937 zog sie mit der Mutter nach Frankfurt. Am 10.11.1938 berichtet ihre Freundin und ehemalige Kollegin bei den Enameline-Werken, Johanna Strahlheim, von den schrecklichen Ereignissen die in der Reichpogromnacht in Frankfurt und Hofheim passierten und bittet „Flokk“ um Hilfe.

Zeit ihres Lebens pflegte Flora Lipmann Kontakte zu Hofheimer Schulfreundinnen und Familien. Eine Einladung der Stadt Hofheim an die ehemaligen jüdischen Mitbürger, ihre frühere Heimat 1980 noch einmal zu besuchen, konnte sie nicht annehmen. Flora Lipmann starb 1979.

Rosalie (Rösel) Lipmann (geb. 29.9.1905) war gebürtige Hofheimerin. Sie arbeitete als Verkäuferin und lebte mit Mutter und Schwester in der Kurhausstraße 22. Im September 1937 wanderte sie von Hofheim direkt in die USA aus, wohin ihre Familie nur wenige Monate später folgte. 1980 folgte Rosalie Lipmann der Einladung der Stadt und besuchte noch einmal Hofheim.