Spotlights - des trouvailles tirées des archives
Am 6. März 2024 übergab Ingrid Powils dem Stadtarchiv Hofheim eine Sammlung von Schriftstücken und Gegenständen. Die darin enthaltenen Fotos und Feldpostbriefe des Soldaten Willy Powils dokumentieren den Alltag seiner Familie während des zweiten Weltkrieges in Hofheim.
Der Briefwechsel zwischen Willy Powils, einem Soldaten, und seiner Frau Helene sowie seinem Sohn Günter erzählt vom Alltag in Kriegszeiten, von Sorgen, Hoffnung und Zusammenhalt – ein sehr persönlicher Einblick in ein düsteres Kapitel Geschichte.
Im Stadtarchiv sind nicht nur die amtliche Unterlagen zu sehen, sondern auch viele persönliche Zeugnisse aus dem Leben der Menschen in Hofheim – vom Alltag über Generationen hinweg bis hin zu besonderen Schicksalen. Auch der sorgfältig aufgearbeitete Nachlass von Günter Powils ist dort unter der Signatur Bestand D1.3 einsehbar.
Über Jahrzehnte hinweg wurden die Feldpostbriefe von Willy Powils ganz klassisch aufbewahrt: ordentlich gestapelt, in ihren Originalumschlägen, sorgsam verschnürt mit einer einfachen Schnur.
Gemeinsam mit dem Paket erhielten wir ein Foto von Willy Powils in Uniform sowie persönliche Gegenstände: seine Kappe und eine kleine Tasche.
Das Stadtarchiv hat die Feldpostbriefe sorgsam aufbereitet: Die Briefe wurden einzeln verpackt, chronologisch sortiert und teilweise transkribiert – also in lesbare Schrift übertragen. So fachgerecht gesichert bleiben die Briefe als Zeugnis ihrer Zeit erhalten.
Am 20. Dezember 1943 beginnt für Willy ein neues Kapitel: Er wird eingezogen und schreibt seine ersten Feldpostbriefe von der Reise nach Frankreich.
In den folgenden Tagen meldet er sich aus Diedenhofen, Metz, Paris und schließlich Nantes, wo er am 26. Dezember 1943 den letzten Brief mit Ortsangabe schreibt. Willy berichtet in seinen Briefen von Kameraden, langen Bahnfahrten, wenig Schlaf, und ständigem Umzug. Er schreibt darüber, wie er Weihnachten am Bahnhof in Metz verbracht hat und dass er ein Päckchen, von einer lustigen Rheinländerin mit Schreibpapier, Soldatenliederbuch, 10 Zigaretten und Gebäck bekommen hat. Nebenbei versucht er der Familie zu Hause die Sorgen zu nehmen.
Bevor die Feldpostbriefe zwischen Front und Heimat hin und her gingen, beginnt die Geschichte von Helene und Willy Powils ganz klassisch: mit einem Aufgebot in der Zeitung.
Am 26. Januar 1929 gaben sich die beiden in Hofheim das Jawort – und legten damit den Grundstein für ihr gemeinsames Leben fern der ursprünglichen Heimat.
Im Nachlass der Familie finden sich bewegende Zeugnisse dieses Neubeginns:
- Das originale Aufgebot aus der Hofheimer Zeitung von 1929
- Das Familienstammbuch mit der Heiratsurkunde
- Und ein Porträt der beiden, aufgenommen nach dem Krieg
„Liebe Mama und Günter!
Nun, wie habt ihr das Weihnachtsfest verlebt, hoffentlich gut? Ich habe es in Metz am Bahnhof verlebt. (…] Wir (…] waren von 18 bis 2 Uhr morgens im Bahnhof und da haben wir das Weihnachtsfest im Soldatenheim mitgefeiert. Es wurden Päckchen verteilt. Ich bekomme auch eins, aber frag nicht, es war das Beste von meinen 3 Kameraden und dem Reisebegleiter. (…] Nun sei aber nicht böse, das Weihnachtspaket von dir habe ich noch nicht geöffnet. Nun Gruß und Kuss, Euer Pappa“
Nahezu täglich schrieb Willy an seine Frau Helene – besonders in den ersten Monaten des Jahres. Er berichtet von ständigen Standortwechseln in Richtung französische Küste, von der militärischen Ausbildung, die, wie er schreibt, „kein Butterlecken“ sei – im Feld mit 40 Pfund auf dem Rücken. Von Mai bis Oktober 1944 ist Willy dann fest in Metz stationiert und entwickelt dort einen gewissen Alltag – er geht lieber ins Kino als in die Kneipe, das sei billiger.
Seine Kameraden – teils alte Bekannte aus der Heimat, teils neue Gesichter – werden in den Briefen genauso lebendig wie seine Sehnsucht nach Familie und Hofheim. Immer wieder versucht Willy, Fronturlaub zu beantragen oder einen Besuch von Helene bei ihm in Metz zu organisieren, oft ohne Erfolg. Stattdessen schreibt er über Fliegeralarm, Angst, schlaflose Nächte und den wachsenden Druck auf die deutschen Truppen. Trotz allem klammert er sich lange an den Glauben an einen „Endsieg“ und bemüht sich, Helene und Sohn Günter mit tröstenden Worten zu beruhigen.
Auf einem kleinen Zettel beschreibt Willy seiner Frau Helene detailliert seinen Tagesablauf während der Ausbildung: „6 Uhr Wecken,
7-8 Uhr Unterricht über Waffen und Gelände, um 12 ½ Uhr sind wir wieder zurück, dann Essen empfangen, Kleider und Schuhe putzen, um 15 Uhr antreten dann im Kasernenhof dasselbe Manöver bis 17 Uhr, von 17 Uhr bis 18 Uhr Waffenreinigung, dann Essen empfangen, Kleider und Schuhe reinigen und so werden wir arbeitslos, 22 Uhr ins Bett.“
Willy macht sich Sorgen um Helene und vermisst sie:
„Ich kann dir nicht helfen, so gern ich dir die Arbeit abnehmen möchte. […] Ja, da mußt du jetzt ein bisschen vorsichtig sein, damit du nicht zerdrückt wirst, aber das kann ja nicht passieren, du bist doch in Hofheim und ich in Metz. Nun frag mal, wie ich dich zerdrücken kann wo wir uns doch nicht sehen.“
Die Situation in Frankreich spitzt sich zu:
„Na, durch diesen Briefen siehst du ja, dass ich noch lebe. Na, ich habe dir ja geschrieben, dass du nicht vom Erzählen die Wahrheit erfährst und, dass Metz an allen Ecken brennt ist nicht wahr. Bei uns und in Metz sind noch alle Wände kalt. Wer dir das gesagt hat, der gehört vors Kriegsgericht nur damit die Person weiß, dass wir im Krieg sind und [sie] keine falschen Gerüchte verbreiten darf.
Während Willy an der Front kämpft, hält Helene Powils in Hofheim das Leben ihrer kleinen Familie aufrecht. Die Briefe aus dem Jahr 1944 zeigen, wie sie Haushalt, Arbeit und die Erziehung ihres Sohnes Günter allein bewältigen muss – begleitet von Fliegeralarm, Sorgen und Entbehrungen.
Obwohl nur wenige ihrer Briefe erhalten sind, erfahren wir durch Willys Antworten viel über Helenes Alltag: Sie arbeitet in der Kapselfabrik, und Willy ermahnt sie, sich dort nicht ausnutzen zu lassen. Immer wieder macht er sich Sorgen um ihre Gesundheit. Gleichzeitig trägt Helene die Verantwortung für den 13-jährigen Günter, der in den Briefen oft Thema ist. Willy gibt Erziehungstipps und ermahnt Günter oft brav zu sein und seine Mutter zu unterstützen. So schreibt er im Januar 1944: „Na, wie pariert Günter? Wenn nicht, so zieh die Zügel stramm, sonst wächst er dir übern Kopf. Wenn es so ist, dann bist du alleine schuld.“
Helene wiederum berichtet von der angespannten Lage in Hofheim und Frankfurt. Durch sie erfahren wir einiges über den Alltag in Hofheim und über die Schicksale bekannter Hofheimer Familien. So berichtet sie u.a. davon, dass im April 1944 bereits 2 000 Fliegerbeschädigte „in unserer kleinen Stadt“ aufgenommen worden seien.
„Heute ist dem Weinbruch seine Großmutter beerdigt worden, aber nur einen Teil von ihren Knochen haben sie noch gefunden. Es ist ja traurig, wenn man alles so sieht. Hofheim ist jetzt alles voll von Fliegerbeschädigten. Es ist wieder einer gefallen. Die Hoß Lisbeth ihr Mann, der Timon Faust. Jetzt hat der Mann seine zwei Söhne verloren – der Eugen und der Timon und den Schwiegersohn. Wie mancher doch hart vom Schicksal getroffen wird. Na hoffentlich kommst du nur gesund heim. Ach was würde ich mich freuen, wenn du heimkämst. Aber daraus wird nichts.“
„Es ist ja so vieles verbrannt. Es schafft doch keine Post mehr in Frankfurt. Nur noch Trümmer. […] Es gibt jetzt wieder eine böse Zeit für uns. Unsre Kartoffeln sind all und die Bauern geben keine raus. Die haben noch keine Saatkartoffeln. Ja wenn ich Pfeffer und Muskat habe, dann bekomme ich bestimmt Kartoffeln. Ja, so ist es ebend. Wenn man was wiedergeben kann bekommt man bestimmt. So, nun werde ich schließen. Will mal beim Betzel fahren und sehn, ob es Gemüse gibt. Man weiß bestimmt nicht, was man alle Tage auf den Tisch stellen soll.“
„Fr. W. hat doch zwei Jahr nicht mehr gehabt von ihrem Mann und die kann sich halt nicht so gut beherrschen. Na soll sie glücklich werden. Die haben sie doch schon angezeigt auf der Polizei. Bei ihr verkehren Ausländer. Aber sie sagt es ist nur einer und den liebt sie, der will sie heiraten. Sie geht ganz auf für ihn. Wievielmal hat der schon bei ihr geschlafen hat sie mir schon selbst gesagt. Ich sagte ihr sie soll vorsichtig sein. Ach und wenn schon, dann tut sie ebend früher heiraten.“
Im Herbst 1944 spitzte sich die Lage an allen Fronten zu. Willy war in Frankreich stationiert, und die Alliierten rückten immer näher. In Hofheim wurde die Versorgungslage immer dramatischer, und die Verwandten in der Heimat Pommern hatten bereits alles verloren.
Seinen letzten Feldpostbrief schrieb Willy am 13. November 1944. Kurz danach geriet er in Kriegsgefangenschaft – bis Ende Mai 1946. Auch in dieser Zeit schrieb er noch, doch nur wenige Briefe sind erhalten. In Hofheim endete der Krieg am 29. März 1945 mit dem Einmarsch der Amerikaner. Für Familie Powils bedeuteten diese Entwicklungen eine lange Zeit der Ungewissheit.
Zwischenzeitlich brach der Kontakt zwischen Helene und Willy ab. Auch der Verbleib anderer Angehöriger war lange unklar. Doch ein konstanter Mittelpunkt blieb: Sohn Günter. 1945 ging er zur Konfirmation, 1946 in der Lehre zum Schriftsetzer – für seine Eltern war er Hoffnungsträger und Stolz zugleich. Sie unterstützten ihn, wo sie konnten.
Nach seiner Rückkehr 1946 fing Willy neu an. Der gelernte Schlosser arbeitete zunächst als Heizer für die amerikanische Besatzungsmacht. Später fand er eine feste Anstellung bei der Adolf Mohr Maschinenfabrik – ein Neustart in einer Zeit voller Brüche.
„[…], denn die Lage hat sich schon so zugespitzt, dass wir bald abgeschnitten sind. Bin noch immer auf dem alten Platz und gestern mußte die Zivilbevölkerung hier räumen. Denn bis jetzt haben wir Ruhe gehabt, aber was die nächsten Tage bringen werden, das muß man abwarten. […] Und solltest du gar keine Post erhalten, so ist der Kessel zu und wie es dann wird, muß man abwarten.“
„Lieber Willy!
Endlich habe ich wieder mal ein Lebenszeichen von die erhalten. […]
Ja, wir haben alles gut überstanden. Habe den Klein getroffen, der mit dir in Gefangenschaft war. Der ist schon lange daheim. Ich verstehe nicht, das du noch nicht da bist. Na hoffentlich bist du zu Weihnachten daheim."
„Wie geht es euch? Na hoffentlich gut. Dass du aber noch keine Nachricht hast über den Verbleib von Mutter und Geschwister ist ja keine Seltenheit. Man weiß immer nicht, wer noch am Leben ist und durch die Zonen-einteilung wird es auch eine Weile dauern bis man Nachricht erhält. […] Und nun schreibe mir mal, was in der ganzen Zeit geschehen ist.“
Der Nachlass von Günter Powils enthält neben den Feldpostbriefen auch viele weitere Dokumente aus dem Leben von Willy und Günter. Sie erzählen die Geschichte einer Hofheimer Familie.
Mit diesem Beitrag endet unsere Serie über die Feldpostbriefe der Familie Powils.
Eine Geschichte über Krieg, Liebe, Verlust – und die Kraft, wieder aufzustehen.
Wenn ihr tiefer eintauchen wollt: Besucht das Stadtarchiv Hofheim!
Regelmäßig lässt das Stadtarchiv die Ausgaben der Hofheimer Zeitung eines Jahres zu Büchern binden. Die ältesten Jahrgänge liegen nun auch digital vor.
Das heutige Fundstück ist kein einzelnes Foto, eine Akte oder ein dickes Amtsbuch – es ist ein ganzer Bestand – die Jahrgangsbände der Hofheimer Zeitung. Seit der ersten Ausgabe vom 30. März 1927 ist diese Hofheimer Zeitung (HZ) das amtliche Bekanntmachungsblatt für die Stadt Hofheim. Im Stadtarchiv werden sämtliche Ausgaben der HZ seit dieser ersten Ausgabe in Jahrgangsbänden aufbewahrt. Der Bestand wächst also jedes Jahr weiter und bildet ein wichtiges Informationsmittel für unterschiedlichste Fragestellungen und einen exzellenten Einstieg in die Arbeit mit historischen Quellen.
Durch das 2020 erstmals aufgelegte Förderprogramm „WissensWandel. Digitalprogramm für Bibliotheken und Archive innerhalb NEUSTART KULTUR“ zur Linderung der Auswirkungen der Corona Pandemie auf den Bibliotheks- und Archivbereich, konnte das Stadtarchiv nun die ersten Jahrgänge der Hofheimer Zeitung von 1927 bis 1943 und die nach dem Krieg durch Stadt und Kreis herausgegebenen Anzeigenblätter durch einen Dienstleister digitalisieren lassen. Aktuell laufen im Stadtarchiv noch letzte Nacharbeiten, um sinnvolle Nutzungseinheiten bereitstellen zu können. Im Neubau von Stadtbücherei und Stadtarchiv werden die Digitalisate dann über die PC-Arbeitsplätze der Bücherei der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stehen. Die Scans wurden komplett mit OCR (Texterkennung) bearbeitet und sind somit nach Schlagwörtern durchsuchbar. Andere Möglichkeiten der Online-Bereitstellung werden zusätzlich geprüft und stehen hoffentlich bald zur Verfügung.
Wie bereits erwähnt, erschien die erste Ausgabe der Hofheimer Zeitung am Mittwoch, den 30. März 1927. Wobei „erste Ausgabe“ eigentlich nicht ganz richtig ist. Diese sollte nämlich eigentlich schon am vorhergehenden Samstag erscheinen. Das verspätete Eintreffen der neuen Druckerpresse verhinderte aber den pünktlichen Start. Ein Problem, das in Zeiten von Pandemie bedingten Lieferschwierigkeiten viele nur allzu gut nachvollziehen können.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges durfte die HZ aufgrund der alliierten Pressegesetze lange nicht herausgegeben werden. Erst am 29. Juli 1949 erschien die erste Ausgabe nach dem Krieg.
Ein Projekt im Rahmen von "WissensWandel. Digitalprogramm für Bibliotheken und Archive innerhalb von NEUSTART KULTUR“ des Deutschen Bibliotheksverbands e.V. (dbv), gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
„Friedrichsdorfer Zwieback-Fabrik von Joseph Staab in Hofheim am Taunus begründet 1851“ steht auf diesem Ausschnitt einer alten Blechdose. Aber wie kam Friedrichsdorfer Zwieback nach Hofheim?
Für viele ist Zwieback heute ein relativ langweiliges Lebensmittel, das man nur während einer Diät oder im Krankheitsfall zu sich nimmt. Früher aber war Zwieback als haltbares und extrem vielseitig einsetzbares und zu verarbeitendes Nahrungsmittel sehr beliebt.
Friedrichsdorf bei Bad Homburg war im 19. Jahrhundert ein lokales Zentrum der Zwiebackproduktion. Am Ortseingang erinnert noch heute ein Holzschild mit zwei Bäckerjungen und der Aufschrift „Friedrichsdorf – Stadt des Zwiebacks“ an den einst blühenden Wirtschaftszweig. Die Friedrichsdorfer Betriebe waren mit ihrem Produkt und dessen Qualität so erfolgreich, dass die Bezeichnung „Friedrichsdorfer Zwieback“ zu einer frühen Form von Markennamen wurde, mit dem ein ausgezeichneter Ruf verbunden war.
Diesen machten sich bald auch Hersteller aus anderen Städten zu nutze. Und hier kommen wir zu unserer Blechdose. Auch die Hofheimer Bäckerei von Joseph Staab verkaufte ihren Zwieback zeitweise unter der Bezeichnung „Friedrichsdorfer Zwieback-Fabrik“. Die Bäckerei und Zwiebackfabrik Staab war bereits 1851 in Mainz gegründet worden. 1881 verlegte Joseph Staab den Sitz des Unternehmens nach Hofheim und erwarb hierfür das Haus Hattersheimer Straße 2. 1925 wurde der Betrieb um ein Café erweitert. Nachdem Bäckerei und Café 1945 von Fliegerbomben zerstört worden waren, konnte das Café, um einen Gastraum im Erdgeschoss erweitert, 1951 wiedereröffnet werden. Franz Staab, der das Unternehmen seit 1921 leitete, war im Übrigen begeisterter Heimatforscher mit einer offiziellen Grabungslizenz des Landeskonservators. Gemeinsam mit Josef Nix, aus dessen Nachlass die Zwiebackverpackung stammt, war er unter anderem maßgeblich an der Einrichtung des Hofheimer Stadtarchivs beteiligt.
Nun aber noch einmal kurz zurück zu den Friedrichsdorfer Zwieback Herstellern. Diese waren wenig begeistert davon, dass man in Berlin, Karlsruhe und eben auch in Hofheim unter dem Namen „Friedrichsdorfer-Zwieback“ produzierte und hiermit gute Geschäfte machte. Daher fügten sie rasch ihren eigenen Verpackungen das Prädikat „Echt“ hinzu. Geholfen hat es ihnen letztlich wenig. Heute wird auch in Friedrichsdorf kein Zwieback mehr hergestellt.


5,5 Kilogramm geballte Information. Die Stockbücher für die Hofheimer Kernstadt umfassen 26 Bände und zwei Registerbände. Ein Band ist ca. 33 cm breit, 46 cm hoch und zwischen fünf und acht cm dick. Möchte man etwas über den Besitz einer bestimmten Person erfahren oder sucht den Besitzer eines Hauses, kommt man für das 19. Jahrhundert an diesen schweren Amtsbüchern kaum vorbei.
Stockbücher waren eine Spezialität des Herzogtums Nassau, zu dem Hofheim seit 1806 gehörte. In ihnen wurde ab 1851 das Immobilienvermögen in einer Gemarkung für die einzelnen Personen mit allen darauf haftenden Beschränkungen, Lasten und Pfandrechten eingetragen. Die Stockbücher bildeten zugleich das Steuerkataster. Auch nach der Annexion des Herzogtums durch Preußen nach dem verlorenen Krieg im Jahr 1866 und die Integration in die neue preußische Provinz Hessen-Nassau wurden die Stockbücher weitergeführt. Erst 1899 wurden sie schließlich durch die Grundbücher gemäß der Grundbuchordnung ersetzt.
Bespielhalft schauen wir uns nun kurz einen Auszug aus Band 18 an. Es handelt sich um Artikel 1456, der die Besitzungen Franz Arnets auflistet. Arnet war der erste Bahnhofsvorsteher Hofheims und Wirt des Pfälzer Hofs (Gebäude gegenüber dem Bahnhof), in dem heute die Hofheimer Musikschule untergebracht ist. Laut seinem Stockbuchartikel besaß er nicht nur den Pfälzer Hof, sondern auch Weinberge und Wiesen.
Aus dem Eintrag zum Pfälzer Hof erfahren wir unter anderem, dass Arnet das Haus am 18. Juli 1883 gemeinsam mit seiner Ehefrau Elisabeth kaufte. Wir erfahren die Außenmaße des Gebäudes und dass es über ein Stiegenhaus (Treppenhaus), eine Wirtsstube mit Kegelbahn, eine Wagnerwerkstätte, einen Hofraum und einen Hausgarten verfügte. Auch die Lage des Hauses wird beschrieben. Aus den Artikeln geht meist ebenfalls hervor, an wen etwas weiterverkauft oder vererbt wurde. Auf diese Weise lassen sich mit den Stockbüchern Besitzerwechsel aber auch bauliche Veränderungen hervorragend nachvollziehen.
Wer den ganzen Artikel lesen möchte, findet unter den folgenden Links hilfreiche Tipps zum Lesen und Transkribieren alter Handschriften.
www.gda.bayern.de/DigitaleSchriftkunde/
Handschriften lesen I Hessisches Landesarchiv
Nun noch ein Dankeschön: Dem Hofheimer Genealogen Wilfried Wohmann ist es zu verdanken, dass Recherchen in den Stockbüchern heute wesentlich leichter fallen. Wohmann transkribierte die beiden Registerbände und erstellte eine Excel-Tabelle, über die die teils über mehrere Bände laufenden Verweise nachvollzogen werden können.
1952 feierte Hofheim die Verleihung des Stadtrechts vor 600 Jahren. Bei der Jubiläumslotterie konnte man richtig abräumen.
In Zeiten von Corona sehnen wir uns nach etwas Normalität. Besonders die Absagen vieler Hofheimer Feste schmerzten im vergangenen Jahr sehr. Denn dass die Hofheimer feiern können, weiß man. Dies zeigten sie auch 1952. 600 Jahre war es her, dass Hofheim 1352 vom Kaiser die Stadtrechte verliehen bekommen hatte. Zehn Tage lang feierte die Stadtgesellschaft dieses denkwürdige Jubiläum und das Festprogramm war bunt. Eines der Highlights war sicher die Jubiläumslotterie. Im Stadtarchiv lagert ein Originalplakat von damals.
Die Gewinne konnten sich sehen lassen. Ein freier Bauplatz, Motorräder, Fahrräder, Nähmaschinen, ein Radio und Fotoapparate brachten Viele dazu, sich ein Los zuzulegen. Die absoluten Highlights aber waren der 1. und 2. Preis: Je ein schlüsselfertiges Wohnhaus mit Küche, Bad und Garten in der Germanenstraße.
Nicht nur in Hofheim konnte man die Lose kaufen. Und so kamen auch die Gewinner eines der beiden Häuser nicht aus der Stadt. Eine in Frankfurt ausgebombte Familie, die nach Kriegsende in Niedernhausen untergekommen war, fand auf diese Weise in Hofheim ein neues Zuhause. Ohne die damals zehnjährige Tochter wäre es aber nie so weit gekommen. Als die Losverkäufer in Niedernhausen unterwegs waren, war sie es nämlich, die ihren Großvater so lange quälte, bis er ihr die Mark für das Los schenkte. Die Glückszahl lautete 60292. Scheinbar gönnten die Hofheimer der vom Schicksal gebeutelten Familie ihr Glück. Die Hofheimer Zeitung schrieb am 18. Juli 1952: „Von der Bevölkerung ist es mit großer Genugtuung aufgenommen worden, dass der Hauptgewinn auf die Frankfurter Evakuierten gefallen ist.“ Weiter ist dort zu lesen, dass schon wenige Tage nach der Ziehung der Erste Beigeordnete Adam Stang, der den zu dieser Zeit suspendieren Bürgermeister Nilges vertrat, der glücklichen Gewinnerfamilie die neue Bleibe zeigen und übergeben konnte. Der spendable Großvater, ohne dessen Finanzierung der Gewinn nicht möglich gewesen wäre, verlegte seinen Wohnsitz übrigens kurzerhand auch von Frankfurt nach Hofheim und zog gleich mit ins neue Haus.
Anlässlich des deutschlandweiten Festjahres „2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland“ starten wir unsere neue Serie „Spotlights – Fundstücke aus dem Stadtarchiv“ mit einem besonderen Foto der Hofheimer Synagoge.
Dieses im Original 10 x 7,5 cm kleine Schwarzweißfoto wurde am 12. August 1931 vom Hofheimer Lehrer und Heimatforscher Josef Nix aufgenommen und ist Teil eines 1941 von ihm zusammengestellten Albums, in dem er die Geschichte seiner Familie dokumentierte. Das Album befindet sich erst seit Oktober 2019 im Stadtarchiv und ist Teil einer Schenkung, der in den USA lebenden Nix-Enkelin Hermi Woodward.
Auf dem Foto zu sehen ist der Blick durch das Burggrabengässchen von der Burgstraße aus. Die beiden Personen sind Josef Nix Ehefrau Friederike geborene Staab und seine Tochter Elisabeth. Ganz hinten im Bild erkennt man eines der markantesten Gebäude der Hofheimer Altstadt: den Büttelturm, liebevoll auch Türmchen genannt. Ehemals Teil der nach der Verleihung des Stadtrechts ab 1352 erbauten Stadtbefestigung, diente der obere Teil des Turms bis ca. 1780 als Wohnung für den Gerichtsdiener, damals Büttel genannt. 1787 versteigerte die Stadt den für sie inzwischen entbehrlichen Turm an den Privatmann Anton Krimmel. Wie lange Krimmel Besitzer des Gebäudes blieb, ist nicht bekannt. Fest steht aber, dass irgendwann zwischen 1795 und dem Anfang des 19. Jahrhunderts die jüdische Cultusgemeinde Hofheim den Turm erwarb und hier ihre Synagoge einrichtete.
Und eben an dieser Stelle kommt dem obigen Foto eine ganz besondere Bedeutung zu. Wenn man genau hinsieht, erkennt man auf der Spitze des Turms einen sechszackigen Davidstern. Auf keinem anderen Foto im Stadtarchiv ist dieses Symbol zu sehen und der Turm somit auch äußerlich eindeutig als Synagoge zu erkennen. Wahrscheinlich wurde der Stern erst recht spät auf dem Gebäude angebracht, vielleicht bei der großen Renovierung der Synagoge 1925. Damals entstanden in dem zweistöckigen Gebäude 20 Sitzplätze für männliche und 10 für weibliche Gemeindemitglieder. Der nun erstmals dokumentierte Davidstern spielt eine zentrale Rolle in einem Zeitzeugenbericht zur Reichspogromnacht am 9. November 1938, in der auch die Hofheimer Synagoge verwüstet und die Inneneinrichtung zerstört wurde. Nach den Schilderungen des Hofheimers Joseph Rufa wurde ein ansässiger Handwerker, vermutlich Schmied oder Schlosser, gezwungen, den Stern vom Dach zu holen und in seiner Werkstatt ein Hakenkreuz anzufertigen, das an dessen Stelle angebracht wurde. Ende des Jahres 1938 musste die Cultusgemeinde das Gebäude der Stadt unentgeltlich übertragen. Nach 1945 wurde das Türmchen für die unterschiedlichsten Zwecke genutzt, bis 1982 der Umbau zu einem Restaurant begann.
Jüdisches Leben in Deutschland - JLID2021 (2021jlid.de)