Lebenszeichen. Schmuck aus Notzeiten
Schmuck aus Notzeiten? Wer von denen, die es nicht selbst erlebt haben, stellt sich vor, daß es in Zeiten erdrückender materieller, physischer und psychischer Not, im Geschoßhagel der Front oder im Kriegsgefangenenlager den Menschen nach Schmuck, nach schmuckhaften Zeichen verlangt hat ? Und wer vermag sich vorzustellen, wie raffiniert wiederum andere Menschen dieses Bedürfnis zu allen Zeiten ausgenützt und den Menschen mit politisch instrumentalisierten, mit ideologisch verbrämtem "Schmuck" für ihre Zwecke einzuspannen versucht haben ?
Tatsächlich aber ist Schmuck in schweren Zeiten mehr als nur Dekoration. Er wird zum Symbol der Hoffnung und der Zuversicht, er ist Ausdruck von Lebensfreude und Selbstwertgefühl, ist Lebens-Zeichen, und aus diesem Grunde höchst lebensnotwendig. In extremen Situationen der menschlichen Existenz gewinnt Schmuck überdies uralte Sinngehalte zurück: Er wird Talisman, Reliquie, Fetisch, Liebes- und Treuepfand, Zeichen des Trostes, Manifest der Erinnerung. Er wird zum Medium der Beschwörung des Überlebens und des Schutzes.
Die Ausstellung "Lebenszeichen. Schmuck aus Notzeiten" geht auf eine Idee des Düsseldorfer Schmuckkünstlers und Designers Prof. Friedrich Becker zurück, der als Soldat in Rußland selbst Schmuck von Kriegsgefangenen gegen Nahrungsmittel eintauschte. Die Ausstellung soll, fünfzig Jahre nach Kriegsende, an die schweren Zeiten von Krieg und Gefangenschaft, an die Not der zerstörten Heimat erinnern. Sie soll zeigen, wie sich Hoffnung und Zuversicht im Schmuck spiegeln, wie Schmuck als Liebeszeichen, Freundschaftsgabe und Tauschobjekt das psychische und physische Überleben sichern half, und wie er die Kreativität des Einzelnen anregen konnte.
Bei den ca. 400 Schmuckgegenständen handelt es sich um Objekte, welche unter Umnutzung von Kriegsmaterial wie Kartuschen oder Plexiglas und Aluminium abgestürzter Flugzeuge sowie diverser anderer Ausgangsstoffe - angefangen von ausrangierten Kochtöpfen über Knochenabfälle aus der Lagerküche bis hin zu Kabeldraht, Holz, eingeschmolzenen Münzen und Silberlöffeln - entstanden. Von ihrer Funktion her waren diese aus schlichten, "recycelten" Materialien mit primitivem Werkzeug gefertigten Stücke zugleich Hoffnungszeichen und Überlebenshilfe, Talisman und Trostspender. Sie konnten als Tauschobjekt dienen, ihre Herstellung war bisweilen auch Beschäftigungstherapie. Nicht ihr materieller oder gestalterischer Aspekt stand im Vordergrund, sondern ihr psychologischer und sentimentaler Wert.
Schmuck aus Notzeiten besticht nicht nur durch ästhetische Qualitäten; seine Bedeutung liegt in den Geschichten, die er erzählt. Diesem Umstand trägt die Wanderausstellung des Museums für Angewandte Kunst Köln durch eine angemessene, den historischen und biographischen Kontext berücksichtigende Inszenierung Rechnung. Die Schau ist ergänzt um Ausstellungsobjekte Hofheimer Leihgeber.
Ein Katalog (128 Seiten, DM 18,-) begleitet die Ausstellung.
Veranstalter:
Magistrat der Stadt Hofheim am Taunus - Kulturamt/Stadtmuseum - in Zusammenarbeit mit Büro der Frauenbeauftragten, Bürgervereinigung Hofheimer Altstadt e.V., Deutscher Hausfrauen-Bund, Ortsverband Hofheim e.V., Heimat- und Geschichtsvereine, Kunstverein Hofheim e.V., Volksbildungsverein Hofheim am Taunus e.V., der Volkshochschule Main-Taunus-Kreis sowie mit freundlicher Unterstützung der Frankfurter Sparkasse 1822.
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Veranstaltungen
Kinder, Küche und Kanonen
Hofheimer Alltag in Notzeiten - Zeitzeuginnen berichten
Moderation: Dr. phil. Erika Haindl
Dienstag, 28.11.1995, 20.00 Uhr
Stadtmuseum Hofheim am Taunus, Burgstraße 11
Eintritt: DM 3,-
in Zusammenarbeit mit dem Büro der Frauenbeauftragten, der Bürgervereinigung Hofheimer Altstadt e.V., dem Deutschen Hausfrauen-Bund, Ortsverband Hofheim e.V., den Heimat- und Geschichtsvereinen sowie der Volkshochschule Main-Taunus-Kreis
Not macht erfinderisch
Sonderführung durch die Ausstellung
"Lebenszeichen - Schmuck aus Notzeiten"
Petra Hoffmann
Dienstag, 05.12.1995, 20.00 Uhr
Stadtmuseum Hofheim am Taunus, Burgstraße 11
Eintritt: DM 3,-
in Zusammenarbeit mit dem Büro der Frauenbeauftragten und
der Volkshochschule Main-Taunus-Kreis
"Die schönen Künste in der Obhut des hessischen Löwen"
Kulturpolitik des Landes Hessen 1945 - 1960
Vortrag von Dr. Jochen Zulauf, Frankfurt
Dienstag, 09.01.1996, 20.00 Uhr
Stadtmuseum Hofheim am Taunus, Burgstraße 11
Eintritt: DM 5,-, ermäßigt 3,-
in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Hofheim e.V. und dem Volksbildungsverein Hofheim am Taunus e.V.
Swing tanzen verboten: als Jazzmusiker im III. Reich
Gesprächskonzert mit dem Musiker Emil Mangelsdorff
Sonntag, 21.01.1996, 11.15 Uhr
Stadtmuseum Hofheim am Taunus, Burgstraße 11
Eintritt: DM 12,-; ermäßigt DM 8,-
mit freundlicher Unterstützung der Frankfurter Sparkasse 1822
Museumspädagogik
Mein Geschenk erzählt von mir und dir.
Kein Geld - aber Phantasie.
Gestaltung in verschiedenen Techniken.
ab 10 Jahren
Leitung: Gudrun Bär
jeweils donnerstags, 15 - 17 Uhr
5 Nachmittage (23.11. - 21.12.1995)
Stadtmuseum Hofheim am Taunus, Burgstraße 11
je Nachmittag DM 5,-
Anmeldung im Stadtmuseum, Tel.: 06192/202-201
Führungen
jeden Sonntag, 11.15 Uhr und auf Anfrage
(außer 25.12., 31.12. und 21.1.96)
Telefon 06192/202-201